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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen
Autoren: Joachim Fernau
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Tuskische Gasse und das Subura-Viertel. Die besseren, teureren sah man auf dem Forum, in den Säulenhallen der Tempel und Bibliotheken und in den Separees der Circusse. Es wimmelte von Bordellen, die, mit obszönen Hausschildern gekennzeichnet, Kammern (von luxuriösen mit erotischen Positionen geschmückten Zimmerchen bis zu Zwei-Quadratmeter-Löchern) für jedermann zur Verfügung stellten oder Bestellungen außer Haus annahmen. Auch die riesigen Thermen, Eintritt frei, waren voll von Spezialisten und Spezialistinnen, Dienern des Marquis de Sade und des Herrn von Sacher-Masoch. Die Kinäden trugen die Gewänder der Mädchen, manche waren operiert und wimmerten, wie Petronius beschreibt, bei jeder Berührung. Schwarze Semiten wechselten mit zierlichen, mandeläugigen ägyptischen Knaben und blonden Kelten ab.
    Blond war sehr begehrt. Auch Frauen setzten sich Ger-manenhaar-Perücken auf und banden sich blonde Dreiecke vor.
    Die Aufstachelung und Befriedigung begann bereits bei den Kindern, stürmisch begrüßt als Befreiung von Frustration.
    Unerwünschte Neugeborene wurden von den Müttern erstickt oder irgendwo weggeworfen. Man fand sie vor den Toren auf Schritt und Tritt. Mehrere kaiserliche Erlasse drohten schwere Strafen an, aber die Entwicklung war längst darüber hinweggegangen. Eine Ehe, die in Ordnung war, galt als sicheres Zeichen dafür, daß der Mann ein Tölpel und die Frau ein Blaustrumpf war. Es existierten zwar Ehegesetze, irgendwo lagen sie, aber es ist unwahrscheinlich, daß ein Richter sie noch kannte. Die neue Zeit hatte sich ein neues Gewohnheitsrecht geschaffen: die »Konsens-Ehe«, die den Personenstand der Frau nicht veränderte und nicht mehr berührte. Man pflegte die Ehefrau eines anderen »abzuklopfen« wie eine Partnerin beim Tanz. Niemand oder kaum jemand aus der fortschrittlichen Gesellschaft verdarb das Spiel. Man bildete sexuelle Supermärkte zu dritt, zu viert, ein Gedicht spricht von einer »Kette von fünf«. Wenn das nicht mehr zog, nahm man Haschisch aus dem Orient zu Hilfe.
    »Die Frauen aus der Gesellschaft und die aus der Plebs sind in ihrer Verderbtheit völlig gleich. Die vornehme Dame ist nichts anderes als die Dirne im Schmutz der Straße. Manche verschwenden sich und ihr letztes Geld an Eunuchen und bartlose Knaben; andere suchen ihren Kitzel bei den brutalen Kerlen und groben Sklaven, und manche können nur noch Wollust empfinden beim Anblick von Blut.«
    Eine Delikatesse war, dem Entmannen von Kriegsgefangenen zuzusehen. Und Apuleius beschreibt nicht zufällig die Sodomie zwischen einer Dame und einem brünstigen Eselshengst.
    Mit einer Blume im Haar und Belladonna im Ärmel ging man durch das Leben. Die Jagd nach der Erbschaft war so groß wie die Jagd nach dem Sinnenglück. Es gab eine Hochzeit in Rom, die alles in den Schatten stellte, was die Freiheit bisher geboren hatte: Es heirateten — das ganze Volk war auf den Beinen — ein Mann, der bereits zwanzig Ehefrauen unter die Erde gebracht und beerbt hatte, und eine Dame, die schon zweiundzwanzig Ehemänner von Geld und Leben befreit hatte. Jedermann wußte es, und man schloß Wetten ab, wen es diesmal erwischen würde. Nach einigen Wochen zügelloser Orgien stand das unvorsichtige Opfer fest: die Frau war tot. Als der Ehemann, Palmwedel schwingend, hinter der Bahre durch die Straßen zog, feierte ihn die Menge wie einen Gladiator. «

    * * *

    Das wär’s.
    Rom ging sang- und klanglos unter. Es wurde nicht wie Hellas besiegt, zerfetzt, verschlungen; es verunglückte nicht in der Kurve, es prallte mit niemand zusammen, es stürzte nicht ab und bekam keinen Herzschlag.
    Es verfaulte.
    Man hätte es retten können. Aber man gab ihm Opium, statt zu schneiden.
    Hören Sie, was die Ruinen, was die Säulenstümpfe auf dem Forum romanum rufen?
    Schönen Gruß an die Enkel.
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