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Bullenhitze

Bullenhitze

Titel: Bullenhitze
Autoren: Matthias P. Gibert
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obwohl ich Sie bediene, nicht zu Gesicht bekommen werden.«
    Allgemeines Gelächter.
    »Zunächst müssen wir leider das Bürokratische klären. Haben Sie alle die Reservierung dabei?«
    Wohlrabe, die beiden anderen Männer und eine der Frauen schoben jeder ein Din-A4-Blatt über den Tisch. Luca, der Kellner, warf einen kurzen Blick auf die Papiere und machte dabei ein zufriedenes Gesicht.
    »Allora, dann darf ich Sie über das weitere Vorgehen informieren. Zunächst ist es wichtig, dass jeder von Ihnen sein Mobiltelefon ausschaltet. Im Speisesaal ist jede Art von Licht unerwünscht, das gilt auch für fluoreszierende Uhren und sonstigen Schmuck.«
    Einer der Männer griff sich an den linken Arm, löste das Lederband seiner Armbanduhr, und ließ sie in der Hosentasche verschwinden.
    »Dann«, fuhr der Italiener fort, »muss ich Sie bitten, Ihren Platz unter keinen Umständen allein zu verlassen. Wenn Sie zur Toilette, in eine Rauchpause oder aus sonstigen Gründen den Raum verlassen möchten, stellen Sie bitte das Holzstück, das in der Mitte Ihres Tisches liegt, aufrecht. Ich weiß dann Bescheid, dass Sie einen Wunsch haben. Das gilt natürlich auch, wenn Sie ein weiteres Getränk möchten.«
    Er lächelte die zehn Augenpaare an, die ihn aufmerksam fixierten. »Und scheuen Sie sich nicht, zu bestellen, was Sie möchten. Es ist alles im Preis inbegriffen.«
    Er machte eine kurze Pause und wartete auf Fragen, doch es kamen keine.
    »Es ist für uns überaus wichtig, dass Sie sich zu jeder Zeit Ihres Besuches bei uns wohl fühlen«, fuhr er fort. »Sollte irgendjemandem von Ihnen schlecht werden oder sich Beklemmung wegen der Dunkelheit einstellen, lassen Sie es mich bitte sofort wissen. Wir veranstalten heute Abend ein Dinner in the Dark und kein Überlebenstraining. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die allermeisten unserer vielen Gäste großen Spaß an diesem Event haben.«
    Wieder sah er in die Runde, ob einer der Teilnehmer etwas anmerken wollte.
    »Weiterhin haben Sie sicher mein etwas ulkig wirkendes Aussehen, speziell im Bereich meines Kopfes, bemerkt. Hierbei handelt es sich um die Halterung für das Nachtsichtgerät, das ich benutze, um im Speiseraum sehen zu können. Es ist nicht das Sehen, wie gewohnt, aber ich kann erkennen, wo Sie sitzen, und ob Sie etwas wünschen.«
    Wieder sah er in die Runde.
    »Haben Sie Fragen?«
    Eine der Frauen, die schon gewartet hatten, als Wohlrabe und seine Frau das Lokal betraten, hob die Hand.
    »Bitte, Signora.«
    »Wir hatten ja bereits in der Reservierung angegeben, ob wir Fleisch, Fisch, vegetarisch oder asiatisch essen möchten. Erzählen Sie uns jetzt, was es im Einzelnen zu essen gibt?«
    Der Kellner lächelte.
    »Das tut mir leid, aber Sie erfahren erst im Anschluss an unser Dinner detailliert, was ich Ihnen serviert habe. Sie haben ja im Reservierungsfragebogen angegeben, wogegen Sie allergisch sind oder was Sie überhaupt nicht mögen; das haben wir bei der Menüzusammenstellung natürlich berücksichtigt. Aber ich bin sicher, Sie schmecken heraus, was sich jeweils auf Ihrem Teller befindet. Am besten vertrauen Sie einfach Ihrem Geschmackssinn.« Wieder lächelte er die zehn Teilnehmer des Dinner in the Dark an. »Und um den zu prüfen, schlage ich vor, jetzt zu beginnen.«
     
    Nachdem er das Nachtsichtgerät eingeklinkt und startklar gemacht hatte, führte er jeweils zwei Personen durch eine Lichtschleuse in den absolut dunklen Raum, in dem das Essen stattfinden sollte. Günther Wohlrabe und seine Frau Monika waren zuletzt dran. An den Händen gefasst wie Schulkinder trotteten sie mit Trippelschritten hinter dem Kellner her ins Schwarze. Wohlrabe merkte an ihren feuchten Händen, dass seine Frau sich nicht wohl fühlte. Trotzdem ging sie tapfer weiter und ließ sich von Luca, dem Kellner mit dem unförmigen Nachtsichtgerät vor der Stirn, zu ihrem Tisch bringen.
    Es verging eine Weile, bis sie saßen, denn ohne optische Orientierung dauerten die gewohnten Bewegungen und Abläufe deutlich länger. An den anderen Tischen unterhielten sich die Besucher leise miteinander, allein die vier Frauen, die gemeinsam essen wollten, lachten viel und mit erhöhter Lautstärke. Jeder der Anwesenden machte sich mit der Situation vertraut, tastete über den Tisch und war mehr oder weniger aufgeregt. Einzig Monika Wohlrabe machte Entspannungsübungen. Immer wieder spannte sie einzelne Muskelgruppen ihres schlanken, nahezu fettfreien Körpers an, atmete dazu tief ein, und
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