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Bullenhitze

Bullenhitze

Titel: Bullenhitze
Autoren: Matthias P. Gibert
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Beifahrersitz, drückte hektisch die kleine, grüne Taste, und führte das Telefon ans Ohr.
    »Was ist?«
    »Sie lebt«, antwortete Wagner bedrückt, »aber es sieht nicht gut aus. Sie hat ein Polytrauma und ist im Schockraum. Was sie alles abgekriegt hat, wissen die Ärzte noch nicht, aber es ist wohl genug. Sie kämpfen um sie, sagt meine Bekannte aus der Notaufnahme, mit der ich gesprochen habe.«
    Lenz hätte gerne etwas erwidert, aber seine Zunge bewegte sich nicht.
    »Die Sache mit der Falschinformation durch den Streifenkollegen kam daher, weil sie schon im Notarztwagen reanimiert werden musste. Vermutlich hat der Fahrer einfach durchgegeben, dass sie gestorben sei, du weißt, wie das manchmal läuft.«
    »Ja, ich weiß«, antwortete Lenz leise und mit belegter Stimme. »Was soll ich jetzt machen?«
    »Du kannst nichts tun, Paul. Selbst wenn du mit ihr verheiratet wärst, könntest du jetzt nicht zu ihr. Lass die Ärzte ihren Job machen und komm hierher. Du kannst gerne hier schlafen.«
    Der Hauptkommissar überlegte kurz. »Gilt das Angebot auch später noch? Im Moment muss ich ein bisschen für mich sein, verstehst du?«
    »Klar verstehe ich das. Komm, wenn du willst, egal wann. Ich bin hier und warte auf dich.«
    »Danke, Uwe.«
    »Gerne. Ich hab mit meiner Bekannten vereinbart, dass sie mich anruft, wenn es etwas Neues gibt. Was auch immer das bedeuten mag.«
    »Ich darf gar nicht daran denken, was das alles bedeuten könnte, aber ich will mich nicht beschweren. Vor ein paar Minuten dachte ich noch, sie sei tot. Jetzt kann ich wenigstens hoffen, das ist doch schon mal was.«
    »Stimmt. Und wenn du mir jetzt noch versprichst, dich nicht volllaufen zu lassen, bin ich fürs Erste zufrieden.«
    »Versprochen«, antwortete Lenz knapp. »Und nochmal danke, Uwe.«
    »Dafür nicht. Lass dich einfach blicken, wenn dir danach ist.«
    »Wir werden sehen.« Damit beendete Lenz das Gespräch, legte das Telefon zurück auf den Beifahrersitz und fing hemmungslos an zu weinen.
    Eine halbe Stunde später stand sein Wagen noch immer an der gleichen Stelle. Längst konnte er nichts mehr von dem erkennen, was um ihn herum vorging, weil die Scheiben total beschlagen waren.
    Nachdem er seinen Tränen einige Minuten lang freien Lauf gelassen hatte, war für den Moment die allergrößte Last von ihm abgefallen. Wenn er Uwe Wagner richtig interpretierte, stand es nicht gut um Maria, aber die Ärzte würden sicher alles geben, um ihr Leben zu retten. Lenz wischte mit dem Handrücken über die Innenseite der Frontscheibe, sodass Wasser auf die Oberseite des Armaturenbrettes tropfte. Dann startete er den Motor, legte den ersten Gang ein und rollte langsam an, ohne eine Idee zu haben, wohin er fahren sollte. Als die letzten Häuser von Gudensberg hinter ihm lagen, schaltete er das Radio wieder an, wo gerade die 23-Uhr-Nachrichten begannen. Der Unfall stand an Nummer drei der Schlagzeilen und es wurde vermeldet, dass die Frau des Kasseler Oberbürgermeisters Erich Zeislinger bei einem Verkehrsunfall am Abend lebensgefährlich verletzt worden war und die Ärzte im Klinikum Kassel um ihr Leben kämpften.
     
    Über Orte, deren Namen er noch nie gehört hatte, kam er nach Felsberg. Dort suchte er nach einer Tankstelle, um sich etwas zu trinken zu kaufen, doch die einzige, an der er vorbeikam, war geschlossen. So fuhr er weiter nach Gensungen, drehte eine Runde durch den Stadtteil und stoppte schließlich vor einer modern und poppig beleuchteten Kneipe. Dort nahm er an einem Tisch in der Ecke Platz, bestellte sich eine große Cola, und sah aus dem Fenster in die Dunkelheit. Vor seinen Augen spukten Bilder von Maria umher. Ihr Lachen, wenn sie sich über etwas freute, ihr böses Gesicht, wenn sie eine zickige Phase durchlebte. Er roch den Duft ihrer Haare und ihren Schweiß, wenn sie sich geliebt hatten. Doch zuallererst schwebte über allem unsichtbar, aber gnadenlos die Angst, seine große Liebe zu verlieren.
    Nachdem er ein paar Minuten einfach seinen Gedanken nachgehangen hatte, betrachtete er die Menschen um sich herum. An der Theke standen mehrere junge Männer und diskutierten angeregt über Handball. Die meisten der vielen Tische waren von jungen Leuten besetzt, die miteinander quatschten oder knutschten. Hinter der Theke stand seine Bedienung, eine groß gewachsene, gut aussehende, blonde Frau von etwa 35 Jahren, die Gläser polierte und in ein Regal räumte. Der Kommissar stand auf, ging zur Theke, bezahlte sein Getränk und
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