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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani
Autoren: Rubem Fonseca
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Überzieher, Krawatte und Hut, aber das war, ehe Guedes in den Polizeidienst eintrat. Er besaß nur einen alten Anzug, den er nie trug und der schon so uralt war, daß er mehrmals in Mode und aus der Mode gekommen war. Im allgemeinen zog er einen Blouson über sein Sporthemd, damit man seinen Revolver, einen Colt Cobra 38, den er unter der Achsel trug, nicht sah. Der Cobra war für ihn schlichter Luxus und der einzige Verstoß, den Guedes gegen die Vorschriften beging. Der Taurus 38, den die Dienststelle zur Verfügung stellte, war zu schwer, um ihn überall herumzuschleppen. Er hatte schon daran gedacht, den Taurus in die Schublade zu legen, aber eines Tages erlebte er in einem Bus, daß ein Straßenräuber einer Frau die Goldkette vom Hals riß, während ein anderer mit einer Waffe die Fahrgäste ringsum bedrohte. Guedes hatte eingreifen müssen und auf den bewaffneten Straßenräuber geschossen, ihn jedoch nicht schwer verletzt. (Er war stolz darauf, noch nie jemanden getötet zu haben.) Also blieb der Taurus unter seinem Arm, bis er Kommissar Raul von der Mordkommission den Cobra abkaufte, ein Fabrikat aus den fünfziger Jahren, aber in ausgezeichnetem Zustand, eine leichtere Waffe, hergestellt aus einer Speziallegierung aus Stahl und Molybdän; er hatte keinen sehr gleichbleibenden Drall, aber das spielte für Guedes keine Rolle; er hoffte, den Revolver möglichst selten benutzen zu müssen.
    Delfina Delamare begleitete ihren Mann nicht auf all seinen Reisen. Eigentlich reiste sie gar nicht gern. Die Schiffe waren immer voll alter Rentner und häßlicher Frauen, an Bord herrschte verlogene Eleganz, und im Laufe der Reise trat die unersprießliche Gewöhnlichkeit der Menschen zutage. Flugzeuge hatten den Vorteil, schneller zu sein, schufen aber eine klaustrophobische Nähe zu jedermann, in der man unter dicken, verschlafenen Männern ohne Schuhe begraben wurde, selbst in der ersten Klasse. Kurz, sie hatte Reisen immer als unangenehm empfunden. Sie blieb lieber in Rio und widmete sich ihren Werken der Nächstenliebe.
    Die Begegnung zwischen Delfina und Guedes fand in einer der wenigen Situationen statt, in denen dies überhaupt möglich war. Es geschah auf der Straße, versteht sich, aber auf eine für beide überraschende Weise. Delfina befand sich in ihrem Mercedes in der Rua Diamantina, einer Sackgasse hoch oben im Stadtteil Jardim Botânico. Als Guedes zum Ort der Begegnung kam, wußte er bereits, daß Delfina nicht schlief, wie die Leute, die sie gefunden hatten, aufgrund ihres friedlichen Gesichtsausdrucks und der bequemen Haltung ihres Körpers im Autositz zunächst angenommen hatten. Guedes hingegen hatte noch auf der Wache von Delfinas tödlicher Verletzung erfahren, die unter ihrer Seidenbluse verborgen war.
    Die Stelle war bereits von der Polizei abgesperrt worden. Zu beiden Seiten der Rua Diamantina standen Bäume, und an diesem frühen Morgen strahlte die Sonne durch die Baumkronen auf die metallic-gelbe Motorhaube des Wagens, so daß er glänzte, als wäre er aus Gold.
    Guedes sah den Experten vom Kriminologischen Institut aufmerksam bei ihrer Arbeit zu. Am Wagen befanden sich nur wenige Fingerabdrücke, die sorgfältig abgenommen wurden. Außerdem wurden mehrere Fotos von Delfina gemacht, auch ein paar Großaufnahmen ihrer rechten Hand, die einen vernickelten Revolver Kaliber 22 hielt. An ihrem linken Handgelenk befand sich eine goldene Uhr. In der Handtasche auf dem Autositz steckten ein Scheckheft, mehrere Kreditkarten, Schminkutensilien in einem kleinen Etui, ein Flakon französisches Parfum, ein Batisttaschentuch, eine ärztliche Bescheinigung, abgestempelt von dem Arzt Pedro Baran (Hämatologie, Onkologie), und eine Benachrichtigung vom Postamt Leblon über ein Einschreiben, das Delfina Delamare dort abholen könne. Diese beiden Papiere steckte Guedes in die Tasche. Im Handschuhfach lag neben den Autopapieren ein Buch von Gustavo Flávio mit dem Titel Die Liebenden und der Widmung: ›Für Delfina, die weiß, daß die Poesie eine ebenso exakte Wissenschaft ist wie die Geometrie. G. F.‹ Die Widmung war nicht datiert und mit einem Stift mit weicher Spitze und schwarzer Tinte geschrieben. Guedes klemmte sich das Buch unter den Arm. Er wartete, bis die Spurensicherung mit ihrer zeitraubenden Arbeit vor Ort fertig war; er wartete auch noch ab, bis der Leichenwagen kam und den Körper der Toten in einem zerbeulten, schmutzigen Blechkasten zur Autopsie in das Gerichtsmedizinische Institut mitnahm.
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