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Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Titel: Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume
Autoren: Donna Leon
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oder die gegnerische Seite hat seine Leiche geraubt.« Mehr wollte Brunetti gar nicht wissen. »Und danach wurde Antonio zum Erben erklärt?« »Ja.«
    »Standen die Brüder sich nahe?«
    »Sehr sogar. Wenigstens stand es seinerzeit so in den Zeitungen. ›Brüder, die Blutsbrüder waren‹, all dieses rührselige Zeug, das die Regenbogenpresse liebt.« »Blutsbrüder?«
    »Antonio hat seinen Bruder einmal dort unten besucht und sich mit ihm zusammen einem Ritual unterzogen, das sie beide zu Stammesmitgliedern machte.« Sie hielt inne und versuchte, sich an Details zu erinnern, die sie gelesen, aber offenbar nicht ausgedruckt hatte. »Sie haben auch gelernt, mit Pfeil und Bogen zu jagen, und diese ganze Tarzan-Romantik ausgekostet, auf die Jungs so fliegen. Es wurde nie geklärt, ob Claudio, der Ältere, auch die rituellen Narben auf den Wangen hatte, aber beide ließen sich tätowieren und aßen in Honig eingelegte Insektenlarven.« Bei der Vorstellung überlief sie ein leiser Schauer.
    »Tätowierungen?«, fragte Brunetti.
    »Ja, Sie wissen schon - diese geometrischen, ineinander verschlungenen Muster, die wir den ganzen Sommer vor der Nase haben. Diese Bänder um Arme und Beine: sieht man doch heutzutage überall.«
    In der Tat. Nicht zuletzt auf einem Foto an der Wand in Fornaris Wohnung. Rötliches Haar, zur wilden Mähne zerzaust, die seinen Kopf größer erscheinen ließ, und Tattoos an den Armen, die aussahen wie Raubtierstreifen. »Tigermann«, sagte Brunetti laut.
    »Was?«, fragte sie und korrigierte sich mit einem höflichen »Wie bitte?«.
    »Gibt es Fotos von diesem Antonio?« »Mehr als genug«, erwiderte sie matt. »Dann drucken Sie mir ein paar aus«, sagte er. »Und bitte gleich.« Damit griff er zum Telefon, bestellte ein Boot und ein Auto und bat Vianello, ihn zu begleiten.

30
    »Du glaubst also, er ist dieser Tigermann?«, fragte Vianello, als Brunetti ihn auf den neuesten Stand gebracht und in Signorina Elettras Recherchen eingeweiht hatte. Sie standen an Deck der Polizeibarkasse, die Kurs auf den Piazzale Roma nahm, wo hoffentlich der bestellte Wagen bereitstehen würde. Plötzlich schwenkte Foa scharf nach links: Um ein Haar hätten sie einen sandalo gerammt, der mit vier Personen und einem Hund an
    Bord viel zu knapp vor ihnen kreuzte. Foa ließ zweimal das Horn ertönen und schrie dem Mann am Ruder etwas zu, doch der würdigte sie keines Blickes.
    »Und du glaubst, das reicht, um gegen ihn vorzugehen?«, fragte Vianello. Seine Stimme schwoll mit jedem Wort an, so dass er am Ende fast brüllte. Dazu reckte er beide Arme himmelwärts, als wolle er seine Frage von dem Mann neben ihm an eine höhere Instanz weiterleiten.
    Brunettis Blick glitt an Vianello vorbei zu den Häuserfassaden am linken Ufer des Kanals. Den palazzo rechts neben den Faliers hatte man endlich restauriert. Er war mit dem Sohn des früheren Besitzers zur Schule gegangen, der seinen Palast in einem Privatkasino verspielt hatte. Die Familie musste ausziehen, und obwohl er und der Sohn gut befreundet gewesen waren, hatte Brunetti nie mehr von ihm gehört.
    »Na, was ist?«, versuchte der Inspektor Brunetti aus seinen Erinnerungen zurückzuholen. Als Brunetti nicht antwortete, fuhr Vianello fort: »Auch wenn du recht hast und dieser Antonio ist der Tigermann, und selbst wenn er dem Zigeunermädchen tatsächlich was angetan hätte, könnten wir es nie beweisen. Hörst du mich, Guido? Wir haben keine Chance. Zero!«
    Brunettis Aufmerksamkeit wollte sich davonstehlen zu den Häusern hinter Vianello, doch der Inspektor legte ihm die Hand auf den Arm und holte sie zurück. »Guido, was du vorhast, ist glatter Selbstmord! Sogar wenn es dir gelingt, die Eltern des Jungen zu überreden, und du seine Aussage über diesen ›Tigermann‹ bekommst.« Vianello schloss die Augen vor den schrecklichen Folgen einer solchen Operation, und Brunetti sah, wie er die Kiefermuskeln anspannte.
    »Angenommen, du schaffst es - was wäre damit gewonnen? Du hättest einen minderjährigen Zeugen aus einer Familie mit einer ganzen Latte von Festnahmen und Verurteilungen, und dieses Kind - das, wie du selber sagst, kaum Italienisch spricht - willst du gegen den Sohn des Innenministers aussagen lassen?«
    Das Boot wurde so plötzlich von einer Gegenströmung erfasst, dass beide Männer gegen die Reling taumelten. Doch schon im nächsten Moment hatte Foa das Steuer wieder in seiner Gewalt und hielt den Blick eisern nach vorn gerichtet.
    Brunetti wollte
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