Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Titel: Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
widerrufen.« Das nächste Blatt hielt sie etwas höher als die anderen und erklärte: »Die vier Festnahmen wegen Trunkenheit am Steuer habe ich alle auf einer Seite zusammengefasst. Es schien mir nicht richtig, so viel Papier an ihn zu verschwenden.« Flatter, flatter. »Er fand jedes Mal milde Richter, die seine Jugend und seine Bußfertigkeit berücksichtigten, so dass es nie zum Prozess kam.«
    Ihr Lächeln war das einer gütigen Tante, die überglücklich ist, weil die Justiz gleich ihr das reine Herz des abgöttisch geliebten Neffen erkannt hat. Brunetti sah, dass nur noch zwei Blätter übrig waren. »Tätlicher Angriff auf einen Polizeibeamten«, sagte sie und schob Brunetti eines davon hin, wie um anzudeuten, dass es nun langsam ernst würde.
    »Er geriet in eine Streiterei in einem Restaurant in Bergamo«, erklärte sie. »Es fing damit an, dass er einem dieser tamilischen Rosenverkäufer die Tür weisen wollte. Und als der sich nicht rausschmeißen ließ, begann der Sohn des Ministers - er heißt übrigens Antonio - ihn grob zu beschimpfen. Da mischte sich dann der Polizist ein, der mit seiner Frau ein paar Tische weiter saß, und versuchte, Antonio zu beruhigen.«
    »Und weiter?«
    »Der ersten Beweisaufnahme am Tatort zufolge zog der Junge ein Messer und stach nach dem Tamilen, aber der duckte sich rechtzeitig weg. Dann ist die Situation wohl eskaliert, aber am Ende lag der Junge, mit Handschellen gefesselt, am Boden.« »Und dann?«
    »Dann wird es immer undurchsichtiger«, sagte sie und legte ihm das letzte Blatt Papier vor.
    Brunetti blickte auf ein Regierungsformular, das er nicht kannte. »Was ist das?«, fragte er.
    »Ein Ausweisungsbefehl. Der Tamile saß am nächsten Tag in einem Flugzeug nach Colombo.« Ihre Stimme klang sachlich und kühl. »Die Überprüfung seiner Papiere ergab, dass er schon mehrfach festgenommen und des Landes verwiesen worden war.«
    »Aber diesmal hat man nachgeholfen?«, fragte Brunetti unnötigerweise. »Scheint so.« »Und der Polizeibeamte?«
    »Als der am nächsten Tag seinen schriftlichen Bericht ablieferte, war ihm eingefallen, dass der Tamile betrunken gewesen war und das Mädchen in Antonios Begleitung angepöbelt und bedroht hatte.« Als Signorina Elettra Brunettis erstaunte Miene sah, fügte sie hinzu: »Sind ja auch als gewalttätig verschrien, diese Tamilen, nicht wahr?«
    Brunetti enthielt sich jeden Kommentars und musterte stirnrunzelnd seinen Schreibtisch. Endlich sagte er: »Welch ein Glück für den Jungen, dass der Polizist so ein gutes Gedächtnis hatte.«
    Sie sammelte die letzten beiden Blätter wieder ein und überflog sie, wohl mehr um des Effekts willen denn aus Notwendigkeit. »Er hat sich sogar erinnert, dass gar kein Messer im Spiel war. Er müsse das, sagte er, mit einer der Rosen des Tamilen verwechselt haben.«
    »Das hat er tatsächlich behauptet?«, fragte Brunetti verblüfft. »Schwarz auf weiß!«, bestätigte Signorina Elettra und tippte auf die Papiere. Nach einer winzigen Pause fuhr sie fort: »Seine erste Aussage, die er der Polizei in Bergamo am Tatort zu Protokoll gab, ist anscheinend verloren gegangen.«
    »Und das Mädchen?«, wollte Brunetti wissen. »Hat sie sich an diese Sache mit der Rose erinnert?«
    Signorina Elettra zuckte kaum merklich mit den Schultern. »Sie war so verängstigt, dass sie es nicht richtig mitbekommen hat.«
    »Verstehe. Wie lange kennt er diese Ludovica Fornari schon?«
    »Dem Vernehmen nach nur ein paar Monate.« »Er ist doch jetzt der Erbe, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Was genau ist denn mit dem älteren Bruder passiert?« »Der lebte bei einem Eingeborenenstamm in Neukaledonien und betrieb dort anthropologische Studien. Hatte sich völlig angepasst. Angeblich wurde dieser Stamm von einem anderen aus einem benachbarten Tal angegriffen. Und der junge Fornari verschwand bei dem Überfall.« »Ermordet?«, fragte Brunetti.
    Sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Darüber gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Er hatte sich den Kopf kahl geschoren und trug die gleichen Stammeszeichen wie die Eingeborenen. Es wäre also gut möglich, dass die Angreifer ihn für einen von ihnen hielten.«
    Brunetti schüttelte bekümmert den Kopf, und sie ergänzte: »Der überfall wurde erst Monate später bekannt, und inzwischen waren alle Spuren verwischt.« »Und was heißt das?«
    »Den Berichten zufolge hat ihn, falls er bei dem Überfall getötet wurde, entweder der Stamm, bei dem er lebte, begraben,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher