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Bruderherz

Titel: Bruderherz
Autoren: Blake Crouch
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drei Männer. Nervös schlich ich mich an ihnen vorbei. Wenn sie dich fassen, bedeutet das Gefängnis, dachte ich und ging durch die Menschenmenge zurück zu Hiram. Die Waffe fühlte sich so schwer an, als ob sie mir jeden Moment aus der Hose rutschen und zu Boden fallen könnte.
    Wir erreichten den Ausgang der Ankunftshalle, wo Hiram mich zu einer schwarzen Limousine führte. Ich ließ ihn meinen Sack in den Kofferraum hieven, dann hielt er mir die Tür auf und ich stieg ein, eigentlich in der Erwartung, dass im Wagen jemand auf mich wartete. Doch da war niemand – nur der makellose graue Innenraum der Limousine.
    Nachdem Hiram eingestiegen war und den Motor angelassen hatte, drehte er sich zu mir um und meinte: »Da ist eine Minibar und ein Fernseher, falls Sie Lust haben. Sagen Sie es einfach, wenn Sie sonst noch etwas wünschen, Mr Thomas.«
    Hiram fuhr aus dem Parkplatz heraus und ließ den Flughafen hinter sich. Als ich durch die dunkel getönten Fenster nach draußen starrte, konnte ich in Richtung Westen hinter der reflektierenden Rollbahn eine braune Bergkette in weiter Ferne erkennen. Wie gerne würde ich mich dort verlieren, um der Hölle, die mich erwartete, zu entfliehen.

Kapitel 3
     
    Eine Stunde später sah ich zu, wie Hirams schwarze Limousine die Einfahrt hinunterrollte und in Richtung Bundesstraße zurück nach Denver entschwand. Ich schulterte meinen Sack und trug ihn in den Schatten einer Pappel direkt neben dem Empfang des Motels 6. In der Sonnenhitze erschien es unvorstellbar, dass auf den Bergspitzen Schnee glitzerte. Auf der anderen Seite der Bundesstraße erhob sich dreißig Meilen weiter westlich plötzlich und ohne Vorgebirge die vorderste Kette der Rocky Mountains aus der Ebene, und obwohl der Himmel über mir blau strahlte, waren die höchsten Gipfel von Gewitterwolken umgeben. Im Innern des Gebirges zuckten Blitze, allerdings drang kein Donnerhall bis zu mir herüber.
    Ich ließ mich ins kühle Gras fallen und öffnete den Umschlag, den Hiram mir gegeben hatte. Das Schreiben darin hatte die gleiche Form wie der erste Brief; es schnürte mir die Kehle zu, als ich die schwarzen Druckbuchstaben las:
     
    Du solltest das hier gegen 2 Uhr nachmittags im Motel 6 an der I-25 nördlich von Denver lesen. Nimm dir ein Zimmer und bezahle es bar, damit du unter dem Namen Randy Snider einchecken kannst. Pack deine Sachen und sei morgen früh um 6 Uhr abreisebereit.
     
    Das Zimmer 112 lag im Parterre. Meine Nerven lagen so blank, dass ich erst einmal den Schrank und die Dusche kontrollierte und unters Bett schaute – überall dorthin, wo sich ein erwachsener Mensch hätte verstecken können. Als ich sicher war, alleine zu sein, ließ ich die Rollläden herunter und schloss die Tür ab. Dann legte ich mich mit dem Revolver und einem Buch auf das Bett und las den ganzen Nachmittag.
     
    Kurz nach neun färbte sich der dunkelblaue Himmel endgültig schwarz. Die Wörter auf der Buchseite vor mir verschwammen immer mehr und ich konnte die Augen nicht mehr offen halten. Müdigkeit überwältigte mich, obwohl ich dagegen ankämpfte. Vom Rocky-Mountain-Nationalpark zog ein Unwetter herüber und alle paar Sekunden grollte Donner und zuckten Blitze hinter den Rollläden.
    Mein Hunger war inzwischen so groß, dass ich nach draußen zum Automaten ging und mir eine Tüte Cracker und zwei Dosen Soda zog. Bis ich wieder an meiner Tür war, hatte heftiger Regen eingesetzt und Windböen trieben mir Staub in die Augen. Als ich die Tür öffnete und über die Schwelle trat, schaute ich zurück auf den Parkplatz. Lediglich drei Autos parkten dort, die nur für einen kurzen Moment sichtbar wurden, als ein Blitz den Himmel gelblich blau erhellte.
    Ich schloss die Tür und drehte den Schlüssel um. Auf dem unteren Teil des Fernsehbildschirms lief ein Band mit Sturmwarnungen in leuchtend roter Schrift. In wenigen Minuten hatte ich das Soda getrunken und die Cracker verschlungen, und nachdem mein Hunger gestillt war, überwältigte mich endgültig die Müdigkeit. Ich schaltete das Licht aus, zog meine Turnschuhe aus und stieg ins Bett. Nichts konnte meine Augen daran hindern, zuzufallen, nicht einmal die Gewissheit, dass er kommen würde.
    Da ich mich unter der Bettdecke eingeengt fühlte, legte ich mich obendrauf und schob den .357er auf den Nachttisch. Ich werde nur eine Stunde schlafen, versprach ich mir selbst. Eine Stunde, nicht länger.
     
    Ein ohrenbetäubender Donner erfüllte den Himmel, so laut, als wäre das
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