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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
Autoren: Jakob Arjouni
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Bezeichnung hatte Deborah eingeführt, ich wäre beim »Ich trink noch zwei Bier vorm Essen« geblieben) über ihren Kinderwunsch gesprochen hatte.
    »Nein.«
    »Die Liebe zu ihnen kann ziemlich monströs werden. Ich hoffe, Ihnen ist klar, wie wichtig es ist, dass Edgar auf keinen Fall erfährt, dass Marieke bei Abakay war. Er würde es ihr nie verzeihen.«
    »Würde er es nicht eher Ihnen nie verzeihen?«
    Valerie de Chavannes sah mich unverwandt an. Langsam schloss sich ihr Mund, und der Ich-denke-immer-nur-ans-eine-Blick war wieder da. Tatsächlich wohl einfach nur ein Blick herab und zwar auf Männer, von denen sie annahm, dass sie bei ihr immer nur ans eine dachten.
    Nach einer Pause sagte sie: »Sie hätten’s gerne ein bisschen üblicher, ein bisschen schäbiger, hm? Oder können Sie sich nur einfach nicht vorstellen, dass eine Frau wie ich – Schlangentattoo und so weiter – nicht mit jedem halbwegs attraktiven Typen gleich ins Bett springt? Von mir aus – aber dass Sie denken, ich wäre so blöd, den Typen zu mir nach Hause zum Abendessen einzuladen, empfinde ich als echte Beleidigung. Nebenbei und falls es Sie interessiert: Mein Mann und ich führen eine glückliche Ehe.«
    »Das freut mich, Frau de Chavannes.« Ich nickte ihr mit gesenktem Kopf zu, so, wie es wohl Dienstboten taten, die sich Sorgen um ihren Job machten. »Besonders für Ihren Mann. Im Übrigen kann ich mir durchaus vorstellen, dass Sie nicht mit jedem halbwegs attraktiven Typen gleich ins Bett springen. Was ich mir allerdings weniger gut vorstellen kann, ist, dass mit einer Frau wie Ihnen – Schlangentattoo und so weiter – nicht etwas in der Luft liegt, wenn ein junger lockiger Underground-Fotograf auf Ihre Einladung hin zum Abendessen erscheint. Zumindest für den Fotografen, und ich würde wetten, Ihrem Mann ging auch der ein oder andere Gedanke durch den Kopf.«
    »Sie kennen meinen Mann nicht. Er ist nicht der eifersüchtige Typ.«
    »Nach meiner Erfahrung sagen das immer nur andere über einen. Und der Einzige, den ich kenne, der es von sich behauptet hat, ist, nachdem ihn seine Freundin mit einem seiner Kollegen betrogen hat, tablettenabhängig geworden.«
    »Nun, vielleicht erlaubt Ihnen Ihr Beruf nicht allzu viele Erfahrungen mit Leuten, deren Einstellung zum Leben nicht den üblichen Gesetzmäßigkeiten folgt.«
    »Kann sein, Frau de Chavannes. Aber Väter, die in die Luft gehen, weil ihre pubertierenden Töchter anfangen, mit anderen Männern rumzuziehen, sind mir schon ein paar begegnet. Bei Leuten, deren Einstellung zum Leben den üblichen Gesetzmäßigkeiten folgt, nennt man so was Eifersucht…«
    Wir sahen uns einen Moment lang in die Augen, und vielleicht wollte sie mich schlagen.
    Schließlich wandte sie den Blick ab und sagte: »Na schön, Herr Kayankaya, offenbar sind Sie nicht auf den Mund gefallen, und das ist ja auch gut so. Aber all das tut nicht wirklich was zur Sache. Werden Sie Marieke da rausholen, ohne ihr zu erzählen, wer Ihre Auftraggeberin ist?«
    »Ich werd’s versuchen. Wie gesagt: Dass Ihre Tochter mit Abakay rumzieht, ist ihr gutes Recht. Ich kann sie nicht einfach wegtragen.«
    »Aber Sie scheinen mir doch ein Mann mit Phantasie zu sein. Denken Sie sich irgendeinen Vorwand aus. Locken Sie Abakay aus der Stadt, oder…«
    »…kloppen ihn zusammen, ich weiß. Aber daraus wird nichts, Frau de Chavannes, und danke für den Mann mit Phantasie. Zahlen Sie mir einen Tagessatz Vorschuss, und ich sehe, was ich machen kann.«
    Ich zog einen Standardvertrag aus der Jackentasche und reichte ihn über den Glastisch. Vierhundert Euro Tagessatz plus Spesen, zwei Tagessätze Erfolgsprämie. Normalerweise betrug mein Tagessatz zweihundertfünfzig Euro, aber normalerweise wohnen meine Klienten auch nicht in der Zeppelinallee. Dabei ging es mir gar nicht so sehr ums Geld. Ich hatte in letzter Zeit genug Aufträge gehabt, und Deborahs Weinstube brummte und begann, sich zum Frankfurter Muß-ich-hin zu entwickeln. Aber mit den meisten einigermaßen kultivierten Reichen – und die Tochter eines französischen Bankiers und Winzers, die mit einem angesehenen holländischen Künstler verheiratet war, hatte ich automatisch dazugezählt – verhielt es sich nun mal so: Sie gefielen sich und anderen in der Auffassung, dass man für besondere Qualität auch besonders zu bezahlen habe, dass auf den Wert und nicht auf den Preis zu achten sei, dass billiges Zeug plus Zeit und Gebrauch einen teurer als teures Zeug käme und so
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