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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
Autoren: Jakob Arjouni
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Sie Marieke zurückgebracht haben.«
    »Passen Sie auf sie auf.«
    »Ich geb mir alle Mühe.«
    Ich ließ seine Hand los und nickte ihm zu. Dann drehte ich mich um, verließ das Atelier, ging an der Waschküche vorbei und stieg die Treppe hinauf in den Eingangsflur. Aus der Küche drang Geschirrklappern. Ich verließ das Haus, ging durch den Vorgarten und trat auf die Straße. Wie immer war es mucksmäuschenstill im Diplomatenviertel. Es roch nach gemähtem Gras. Mein Blick ging kurz zu den Büschen, aber die Statue war verschwunden. Weiter hinten im Garten meinte ich etwas Rotes unter einem Baum zu erkennen. Plötzlich wusste ich, woran mich Valerie de Chavannes’ gekrümmtes, verhärmtes Dastehen und ihr leerer Blick vorhin erinnert hatten: an Fixernutten.
    Als ich zu meinem Fahrrad kam, bemerkte ich die Zigarette, die immer noch in meiner Hand lag. Ich warf sie in den Rinnstein, schloss das Fahrrad auf und fuhr los.
    Ohne darüber nachzudenken, radelte ich durch die sternenklare Nacht Richtung Bahnhofsviertel. Ich wollte einfach nur die Pedale treten und die kühle Luft im Gesicht spüren. Plötzlich kamen mir die Leuchtreklamen für Bordelle und Stripteaseclubs entgegen, und weil ich nun schon mal dort gelandet war, radelte ich weiter zu einer kleinen, schmutzigen Kneipe, von der ich wusste, dass dort eine alte Musikbox aus den Neunzigern stand.
    Ich schloss mein Fahrrad ab und betrat den düsteren, nach Bier und ungewaschenen Körpern riechenden Raum. Drei alte Säufer saßen stumm an der Theke und sahen kurz auf, als ich mich zu ihnen stellte.
    »Ein großes Bier«, sagte ich zum Wirt, der mich mit einem Augenzwinkern begrüßt hatte. Dann ging ich zur Musikbox, sah die Titel durch und fand, was ich suchte. Kurz darauf erklang Whitney Houstons Greatest Love of All in der Kneipe.
    Die Säufer sahen überrascht auf. Einer grinste mir zu, als ich mich zurück an die Theke stellte. Der neben ihm fing nach einer Weile an, verträumt den Kopf zur Musik zu wiegen.
    Nach dem zweiten Bier zahlte ich, wünschte »noch einen schönen Abend« und verließ die Kneipe erleichtert.
    Zu Hause aß ich einen Apfel, schaute »Tagesthemen« und wartete auf Deborah.
    17
     
    Drei Wochen später saßen Deborah und ich sonntags beim späten Frühstück in unserer Altbauküche am Bauerntisch, auf dem ein von Deborah selbst gemachtes Früchtemüsli, von mir weichgekochte Eier, frisches Landbrot, salzige Butter und eine Kanne Assam-Tee standen. Am Abend zuvor war es spät geworden. Wir hatten mit Slibulsky, Lara und Deborahs Schwester noch lange nach Feierabend in der Weinstube gesessen und getrunken, und nun hatte ich mehr Lust auf ein Katerbier und Rollmöpse als auf handgepflückten Biotee. Aber das konnte ich Deborah nicht zumuten. Das Sonntagsfrühstück in unserer an diesem Morgen nach frischen Äpfeln und Mangos duftenden Westendwelt war ihr heilig.
    Während Deborah noch mal kurz verschwunden war, blätterte ich im neuen Wochenecho. Im Kulturteil sah ich die Buchbestsellerliste und fand Die Reise ans Ende der Tage auf Platz vier. Ich musste lächeln und freute mich ehrlich für Rashid. Für fünf Tage Eingesperrtsein mit Beten war das, fand ich, ein gerechter Lohn.
    Deborah kam mit zwei Weingläsern zurück, zog die Kühlschranktür auf und nahm eine Flasche Champagner heraus.
    »Nanu? Ich denke, Sonntag ist unser abstinenter Tag?«
    Deborah lächelte verschmitzt, und ihre Wangen leuchteten, obwohl wir noch gar nichts getrunken hatten. »Es gibt was zu feiern!«
    Sie stellte die Gläser auf den Tisch und drehte den Flaschendraht auf.
    »Süße, du siehst aus, als seien dir der Weihnachtsmann, der Osterhase und ein paar Engel gleichzeitig begegnet.«
    Sie sagte nichts, schenkte ein und hob ihr Glas. Ich hob meins ebenfalls und fragte: »Verrätst du mir, worauf wir trinken?«
    Ihre Augen glänzten, und ihre Stimme zitterte leicht: »Ich bin schwanger.«
    Mir blieb der Mund offen, dann sagte ich: »Ach was!« Im selben Moment überkam mich ein Grinsen, und es glitt mir einfach von der Zunge: »Von wem?«
    Deborahs Glas knallte über mir an die Wand, und Splitter und Champagner fielen mir auf den Kopf und die Schultern. Ich schüttelte mich kurz, ehe ich aufstand und Deborah in die Arme nahm. Sie erwiderte die Umarmung nicht, blieb steif wie ein Stück Holz, legte den Kopf zurück und betrachtete mich grimmig.
    »Von meinem einzigen verbliebenen Kunden«, sagte sie schließlich. »So einem kleinen scheiß Türken.«
    »Klein
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