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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
Autoren: Jakob Arjouni
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eigentlich? Ihre Tochter habe ich Ihnen ja nun schon vor einer Weile zurückgebracht.«
    Sie schaute mich mit großen Augen an. »Um Abakay natürlich.« Ihre Stimme bebte. »Sie haben es für mich getan, oder?«
    Ich brauchte einen Augenblick, um die Sätze mit ihrem ganzen Gewicht im Gehirn ankommen zu lassen, dann musste ich plötzlich lachen. Ich hörte mir dabei zu: ein trockenes, ungläubiges, hartes Lachen. Tatsächlich bekam ich Angst. Das wäre eine Wendung gewesen: dass man mich über diesen Umweg doch noch wegen des Mords an Abakay drankriegte.
    »Ich hoffe, Sie haben diese völlig verrückte Geschichte nicht schon irgendwelchen Tennisclub-Freundinnen erzählt?«
    »Bitte…?« Ihr eben noch verführerisches, alles versprechendes Strahlen erlosch, und sie wirkte ehrlich wie vor den Kopf gestoßen. Sie trat einen Schritt zurück. »Was meinen Sie damit?«
    »Ich meine, dass Sie ziemlich einsam sein müssen, um sich so was Irrsinniges auszudenken.«
    »Wieso irrsinnig? Ich habe es in der Zeitung gelesen, und nach allem, was zwischen uns war…«
    »Nach allem?« Es war schwer zu glauben, aber nichts deutete darauf hin, dass sie es nicht ernst meinte. »Wir haben ein bisschen geflirtet, Frau de Chavannes.«
    »Geflirtet«, wiederholte sie ungläubig.
    »Ja, so nennt man das. Ich wollte Sie weder heiraten noch mit Ihnen nach Südamerika abhauen.«
    Ich sah von den Büschen zur Villa und auf den Zaun zur Straße. »Ist das Ihr geheimes Plätzchen für den speziellen Gästeempfang?« Und als sie nicht antwortete: »Haben Sie sich hier mit Abakay verabredet? Zum Fotosangucken bei ihm zu Hause?«
    »Sie…! Halten Sie den Mund!«
    Ich nickte. »Okay. Wenn Sie mir versprechen, dass Sie keine romantischen Märchen über uns in die Welt setzen. Abakay ist im Zusammenhang mit Drogengeschäften erschossen worden. Freuen Sie sich, wenn Sie wollen. Und jetzt hätte ich gerne Ihren Mann gesprochen.«
    Sie sah irritiert auf. »Meinen Mann?« Und plötzlich ängstlich: »Was wollen Sie von ihm?«
    »Ein Freund von mir ist Galerist und würde ihn gerne kennenlernen.«
    »Und dafür kommen Sie extra hierher?«
    »Ich war gerade in der Nähe.«
    Sie starrte mich an. Mit einem Mal sah sie sehr müde aus, mager, geradezu ungesund. Sie hatte die Arme verschränkt und stand leicht gekrümmt, ihr Körper hatte jegliche Spannung verloren.
    »Sie brauchen mich nicht reinzubringen, ich finde den Weg alleine. Wenn Sie noch ein bisschen nachdenken möchten…«
    Sie zögerte, dann sagte sie in höhnischem Ton: »Ja, ich möchte noch ein bisschen nachdenken.«
    Ich hob die Hand zum Gruß. »Machen Sie’s gut, Frau de Chavannes.«
    Sie rührte sich nicht. Sie schaute zu Boden, und es sah aus, als betrachte sie ihre hübschen nackten Füße im Gras. Diese hübschen Füße und Beine und überhaupt alles an ihr – es war ein Jammer. An der Haustür drehte ich mich noch mal um. Valerie de Chavannes stand unverändert im Schatten der Büsche. Ein Fußgänger hätte sie im Vorbeigehen für eine Statue halten können.
    Im Flur lärmte ein Mixer aus der Küche, und im Wohnzimmer lief laut der Fernseher. Ich hämmerte mit der Faust gegen die Wohnzimmertür.
    »Ja?«
    Ich trat ein und sah Edgar Hasselbaink auf jenem grauen Cordsofa liegen, das so groß war wie mein Gästezimmer. Er trug einen zitronengelben, enggeschnittenen Leinenanzug, leuchtend blaue Sneakers, und seine ungefähr zwanzig Zentimeter langen Kraushaare standen wild in alle Richtungen. Unter dem Sakko trug er nichts, und sein dunkler, muskulöser, offenbar guttrainierter Oberkörper trat deutlich hervor. Auf den ersten Blick wirkte er wie eine Mischung aus verrücktem Professor, Nachtleben-Hipster und Sommermoden-Model.
    Ich stellte mir Valerie de Chavannes mit ihrem dünnen roten Kleidchen neben ihm vor und fragte mich, was sie hier spielten? Saint-Tropez im herbstlichen Frankfurt? Oder zogen sie sich abends einfach gerne sexy an für den anderen? Und guckten dann zusammen Nachrichten? Und aßen danach Abendbrot?
    »Abend, Herr Hasselbaink.«
    »Guten Abend.« Er hatte mir den Kopf zugewandt, blieb ansonsten gemütlich hingestreckt liegen. Mit der rechten Hand drückte er auf die Fernbedienung, der Nachrichtensprecher im Fernsehen verstummte.
    Ich warf einen kurzen Blick durch die Wohnzimmerhalle. »Wo ist Ihre Tochter?«
    »Meine Tochter?« Langsam setzte er sich auf. »Wahrscheinlich oben in ihrem Zimmer. Warum?« Er sprach mit leichtem holländischem Akzent.
    »Mein Name ist
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