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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
Autoren: Jakob Arjouni
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aufgelegt hatten, ging ich in die Küche und trank einen Schnaps.
    Freitag besuchte ich Edgar Hasselbaink.
    16
     
    Es war kurz nach sieben Uhr abends, als ich an der Gartenpforte klingelte. Aus den Fenstern der Villa de Chavannes schien gelbes warmes Licht, und ein schwacher Duft von gebratenen Zwiebeln zog durch den Vorgarten.
    Es dauerte ein paar Minuten, bis die Haushälterin in weißer Küchenschürze die Haustür öffnete, mich kurz beäugte, dann einen Knopf drückte, der die Gartenpforte aufspringen ließ.
    »Guten Abend«, wünschte ich, als ich vor ihr stand.
    »Guten Abend«, erwiderte sie ohne jede Freundlichkeit. »Wen darf ich melden?«
    Ich lächelte sie an. »Schön, dass Sie da sind. Kayankaya mein Name. Ich war vor zweieinhalb Wochen das erste Mal bei Ihnen, und es gibt seitdem eine Frage, die mir nicht aus dem Kopf geht.«
    »Ich bin beim Abendessenkochen.«
    »Wie gesagt, eine Frage. Ich bin sicher, Sie können sich an den Tag meines Besuchs erinnern. Es war der Mittwoch, an dem Marieke zurückkam.«
    Sie hob abfällig die Augenbrauen. »Wie oft kommt sie zurück.«
    »Sie meinen, wie oft ist sie verschwunden?«
    »Das Essen, Herr…«
    »Kayankaya. Ganz schnell: An dem Vormittag vor zweieinhalb Wochen – warum waren Sie, als Sie mich gehen sahen, so überrascht, dass ich noch da war?«
    Sie stutzte, runzelte die Stirn, schaute widerwillig. »Warum sollte ich überrascht gewesen sein?«
    »Weil Sie zuvor gehört hatten, wie die Eingangstür ging. Und weil Sie glaubten, außer mir und Frau de Chavannes sei niemand im Haus…«
    »So. Tut mir leid, ich kann mich weder an den Vormittag noch an Ihre Person erinnern – auch wenn das für Sie unvorstellbar sein mag…« Ein feines, böses Lächeln huschte kurz über ihre Lippen. »Hier gehen so viele Leute ein und aus.«
    »Sie meinen, im Gegensatz zu früher, als das mit den Eltern de Chavannes noch ein ruhiges, anständiges Haus war?«
    »Ich meine gar nichts.«
    »Na schön«, beschloss ich, »wenn Sie mich dann bitte Herrn Hasselbaink melden würden.«
    Im selben Moment ging die Tür zum Wohnzimmer auf, und Valerie de Chavannes trat in den Flur. Sie blieb überrascht stehen, und man konnte es nicht anders beschreiben: Ihr Gesicht erstrahlte vor Freude. Sie warf einen kurzen Blick zurück ins Wohnzimmer, wo der Fernseher lief, schloss die Tür und kam auf uns zu.
    »Herr Kayankaya!«, sagte sie gerade so laut, dass es nur im Flur zu hören war. Ein rotes, leichtes Sommerkleid floss an ihr herunter, und ihr fester Körper drückte sich deutlich durch den dünnen Stoff. Sie war barfuß. Ohne den Blick von mir zu lassen, sagte sie zur Seite: »Ist gut, Aneta, ich kümmere mich um Herrn Kayankaya.«
    Die Haushälterin sah kurz zwischen Valerie de Chavannes und mir hin und her: »Das Abendessen ist gleich fertig«, und verschwand in die Küche.
    Valerie de Chavannes trat nah an mich heran, sah mir in die Augen und sagte mit leiser, fast flüsternder Stimme: »Hallo.«
    »Hallo, Frau de Chavannes. Eigentlich bin ich hier, um Ihren…«
    Sie legte mir die Fingerspitzen auf den Mund und machte ein zärtliches »Schschsch«, wie um ein Kind zu beruhigen. Dann nahm sie meinen Arm und führte mich in den Vorgarten.
    »Gehen wir spazieren?«, fragte ich.
    Sie antwortete nicht, lachte nur kurz und leise auf. War sie betrunken? Aber sie roch nicht nach Alkohol. Andere Drogen?
    Im Schatten eines Buschs nahm sie meinen Kopf in beide Hände, sah mir erneut tief in die Augen und näherte sich meinem Mund mit ihren vollen dunklen Lippen. Es war ein ebenso weicher wie entschiedener, inniger, feuchter Kuss, die Zunge spielte leicht hervor, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht augenblicklich über sie herzufallen.
    Als sie den Kuss beendete, glitten ihre Hände zu meinen Hüften herunter, und seufzend sagte sie: »Ich wusste es. Ich wusste gleich beim ersten Mal, dass Sie mir helfen würden.«
    »Dass Sie mir helfen würden.« Ich hatte mal gelesen, dass Oberschichtfranzosen, sogar wenn sie verheiratet waren, sich nicht selten siezten. Beim Lesen hatte ich das für ziemlich verrückt gehalten. Beim Küssen, im Bett, danach? Nun merkte ich, dass mich das ganz schön anmachte.
    »Ich bin Ihnen so dankbar.« Sie ließ die Hände noch ein wenig weiter heruntergleiten. »Sie sind großartig. Ich… Wenn ich irgendwas für Sie tun kann…«
    Irgendwas – du lieber Himmel.
    »Entschuldigen Sie, Frau de Chavannes, das ist alles sehr reizend, aber worum geht’s
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