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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
Autoren: Jakob Arjouni
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selbstverständlich.«
    »Und am besten Abakay verprügelt und gedroht, wenn er noch einmal in die Nähe von Marieke kommt – und so weiter?«
    Sie antwortete nicht.
    »Frau de Chavannes, ich bin Privatdetektiv, kein Schlägertrupp. Nochmal: Wie wär’s, Sie rufen erst mal bei Abakay an und versuchen, mit Ihrer Tochter zu sprechen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Unmöglich.«
    »Warum?«
    »Weil ich Angst habe, etwas Falsches zu sagen, etwas, was sie noch mehr in die Arme dieses Scheißkerls treibt. Es braucht zurzeit nicht viel, damit meine Tochter findet, ich hätte etwas Falsches gesagt.«
    »Und wenn Ihr Mann anruft?«
    »Mein Mann?« Sie schaute mich an, als sei das eine erstaunlich dusselige Frage. »Den möchte ich da bestimmt nicht mit reinziehen.« Sie wandte sich ab und ging zurück zum Regal, um sich eine weitere Zigarette zu nehmen. »Außerdem ist er verreist. Er hat eine Gastprofessur an der Kunstakademie in Den Haag. Er ist erst in zwei Wochen wieder da.« Sie zündete sich die Zigarette an, drehte sich zu mir um und sagte bestimmt: »Bis dahin muss die Geschichte aus der Welt sein!«
    »Okay, aber dann erzählen Sie mir bitte, wie die Geschichte ungefähr geht. Falls ich Abakay in die Quere komme, möchte ich keine umwerfenden Neuigkeiten erfahren. ›Frau de Chavannes ist die beste Freundin meiner Schwester‹ oder so was.«
    »Unsinn. Es war in etwa so, wie Sie’s vermutet haben. Er hat mich im Café angesprochen, und ich wurde ein bisschen neugierig. Einer, der Frauen im Café anspricht, allein das, wo gibt’s denn so was heute noch? Und wahrscheinlich war mir an dem Morgen auch einfach langweilig. Wir haben geredet, und er war tatsächlich amüsant – also, auf so eine Nachtleben-Zocker-WaskostdieWelt-Art amüsant. Dazu behauptete er, Fotograf zu sein und dass er eine Serie mit dem Titel ›Frankfurt im Schatten der Bankentürme‹ gemacht habe. Porträts von Ganoven, Prostituierten, Hip-Hoppern…«
    Sie warf mir einen Blick zu. »Ich weiß, nicht sehr originell, aber…«
    Sie suchte nach Worten.
    Ich sagte: »Aber zusammen mit der Nachtleben-Zocker-WaskostdieWelt-Migrationshintergrund-Art…«
    Sie betrachtete mich einen Moment, als kämen ihr erneut starke Zweifel, ob sie einem wie mir Einblick in ihr Leben geben sollte. Dann nahm sie einen Zug von der Zigarette, blies den Rauch, wie um die Zweifel zu verscheuchen, kräftig aus und fuhr fort: »Möglich. Vor allem habe ich an meinen Mann gedacht.«
    »Klar.«
    »Ich wusste, dass Sie das sagen.«
    »Was soll man sonst sagen?«
    »Hören Sie: Ich habe Ihnen am Anfang nicht die Wahrheit erzählt in der Hoffnung, die Angelegenheit ließe sich auch so lösen. Ich bin bekannt in der Stadt, mein Mann ist bekannt in der Welt, Sie sind, mir zumindest, ein völlig Unbekannter. Und Sie sind Privatdetektiv. Was weiß ich über Privatdetektive? Wenn ich nicht so dringend Hilfe bräuchte… Verstehen Sie? Warum sollte ich Ihnen trauen? Es gibt sicher Schmierblätter, die für eine Mutter-Tochter-Hasselbaink-Story um geheimnisvollen Underground-Fotografen ein paar Euro zahlen.«
    »Kann sein, aber für ein paar Euro riskiert kein Privatdetektiv seinen Ruf. Unser Ruf ist sozusagen unser Geschäftsmodell – unser einziges.«
    Während sie darüber nachdachte, schoben sich ihre gezupften Augenbrauen zusammen, und auf ihrer Stirn entstanden zwei kleine Falten. Es gefiel mir, dass sie kein Botox spritzte. Vielleicht waren ja auch ihre Lippen echt. Ich hatte einmal aufgespritzte Lippen geküsst und gefunden, es sei, als schüttle man eine Handprothese.
    Sie ging zurück zum Regal und drückte die Zigarette in einen Aschenbecher. »Ich kann Ihnen also vertrauen?«
    »Ich verkaufe Ihre Geschichte keinem Schmierblatt, wenn Sie das meinen. Abgesehen davon denke ich, dass Sie die Wucht der Geschichte etwas überschätzen.«
    »Kennen Sie sich in der Kunstwelt aus?«
    »Ich weiß, dass Ihr Mann dort eine ziemlich große Nummer ist. Gesichter ohne Augen, nicht wahr?«
    »Das ist eine seiner berühmten Serien, ja. ›Die Blinden von Babylon‹.«
    »Ich habe Ihren Mann gegoogelt. Internationale Preise und so weiter. Trotzdem: Die Sorte Schmierblätter, die Sie im Sinn haben, versuchen ihre Leser nicht mit Leuten zu unterhalten, die Serien malen, die ›Die Blinden von Babylon‹ heißen. Sagen Sie mir bitte, was Sie damit meinten: Sie hätten vor allem an Ihren Mann gedacht?«
    »Werden Sie mir ab jetzt glauben, was ich Ihnen erzähle?«
    »Kommt drauf an, was Sie
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