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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Autoren: Ellis Peters
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Godric?«
    »17«, hörte er die heisere Stimme neben sich. Für 17 war der Junge recht zierlich; sollte er sich später beim Umgraben versuchen, würde er sich schwertun.
    »Ich kann gut arbeiten«, sagte der Junge, als habe er den Gedanken erraten und sich darüber geärgert. »Ich weiß zwar nicht viel, aber ich werde alles tun, was Ihr mir sagt.«
    »Das sollst du auch, und du wirst also mit den Erbsen anfangen. Lege die trockenen Stengel hierher – das gibt eine gute Streu für die Ställe. Die Wurzeln kommen wieder in die Erde.«
    »Wie die Menschen«, sagte Godric unvermutet.
    »Ja, wie die Menschen.« In diesem Bruderkrieg wurden zu viele vor ihrer Zeit beerdigt. Cadfael bemerkte, wie der Junge fast unwillkürlich seinen Kopf wandte und über das Gelände und die Dächer des Klosters auf die Burg sah, deren halbzerstörte Türme aus einer Rauchwolke aufragten. »Sind welche von deiner Familie dort drüben?« fragte Cadfael leise.
    »Nein!« erwiderte der Junge schnell – zu schnell. »Aber ich muß immer an sie denken. In der Stadt sagen sie, daß es nicht mehr lange dauern kann, daß sie vielleicht schon morgen fällt.
    Und doch haben sie sicher das Richtige getan! Bevor König Henry starb, ließ er die Prinzessin Maud von seinen Baronen als Nachfolgerin bestätigen, und alle haben ihr Gefolgschaft geschworen. Sie war sein einziges Kind, und sie mußte Königin werden. Und doch: Als ihr Vetter, Graf Stephen, sich auf den Thron setzte und sich krönen ließ, vergaßen nur zuviele ihren Eid und waren einverstanden. Das kann nicht recht sein! Und es kann nicht falsch sein, treu zur Kaiserin zu stehen! Wie können sie ihren Seitenwechsel rechtfertigen? Wie können sie behaupten, daß Graf Stephens Anspruch zu Recht besteht?«
    »Zu Recht mag vielleicht das falsche Wort sein, aber es gibt Herren, die sagen, es sei besser, einen Mann als Herrscher zu haben als eine Frau, und das sind weit mehr als jene, die der gegenteiligen Ansicht sind. Und wenn man einen Mann will – nun ja, Stephen stand dem Thron so nahe wie jeder andere. So wie Maud die Enkelin, so ist er ein Enkel von König William.«
    »Aber er ist nicht der Sohn des letzten Königs. Und mit König William ist er nur durch seine Mutter verwandt, einer Frau, wie Maud eine ist. Wo ist da also der Unterschied?« Der Junge sprach jetzt nicht mehr verhalten und gedämpft, sondern mit erregter Stimme. »Der eigentliche Unterschied liegt darin, daß Graf Stephen dahergekommen ist und sich genommen hat, was er wollte, während die Kaiserin weit weg in der Normandie war und nichts Böses ahnte. Und jetzt, da die Hälfte der Barone sich ihres Eides erinnert und sich schließlich wieder zu ihr bekennt, ist es fast zu spät, und was soll daraus entstehen außer Blutvergießen und Tod? Hier in Shrewsbury beginnt es, aber das wird erst der Anfang sein.«
    »Vertraust du mir nicht zu sehr, mein Kind?« fragte Cadfael.
    Der Junge, der die Sichel in die Hand genommen hatte und sie hin-und herschwang, wandte sich um und sah ihn aus seinen blauen Augen gerade und aufrichtig an. »Ja, das tue ich«, sagte er.
    »Und das kannst du auch. Aber sei vorsichtig in Gegenwart anderer. Unsere Tore sind keinem verschlossen, und hier bist du dem Schlachtfeld so nahe wie in der Stadt. Viele Menschen kommen hierher, und in Zeiten wie diesen wollen sich manche durch das Weitererzählen dessen, was sie gehört haben, Vergünstigungen erkaufen. Manche leben sogar vom Sammeln von Geschichten. In deinem Kopf sind deine Gedanken am sichersten – das beste ist, du behältst sie dort.«
    Der Junge trat einen Schritt zurück und ließ den Kopf hängen.
    Vielleicht fühlte er sich getadelt, vielleicht auch nicht. »Ich werde mit dir so offen sein, wie du es mir gegenüber bist«, sagte Cadfael. »Zwischen diesen beiden Herrschern gibt es in meinen Augen keine wirkliche Wahl, aber ich respektiere es, wenn ein Mann seinen Treueschwur hält. Und jetzt geh an die Arbeit. Wenn ich mit meinem Kohlbeet hier fertig bin, werde ich dir helfen.«
    Er sah, daß der Junge mit großem Eifer arbeitete. Der grobe Kittel war sehr weit geschnitten und wurde in der Taille von einem Gürtel gehalten, was dem geschmeidigen Körper des Jungen das Aussehen eines unförmigen Kleiderbündels gab; möglicherweise hatte er ihn von einem älteren und größeren Verwandten geerbt, der ihn zu schäbig gefunden hatte. Mein Freund, dachte Cadfael, bei dieser Hitze wirst du solch ein Arbeitstempo nicht lange durchhalten
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