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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Autoren: Ellis Peters
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und beim päpstlichen Legat wohlgelitten sei und dem eine baldige Beförderung bevorstehe. Vermutlich war er nicht geneigt, dies alles aufs Spiel zu setzen. Gleichmütig wie die anderen zog er am Hospiz der Aussätzigen vorbei. Die Stallburschen, die Pagen, die Jagdhunde folgten ihm, und als der Zug die ersten Häuser der Klostersiedlung erreichte, verklang langsam das Geläut der Glöckchen am Zaumzeug der Pferde.
    Bruder Mark hatte den Arm um den alten Mann gelegt und half ihm die Böschung hinauf. Cadfael zog sich zurück, um die beiden nicht zu stören. Mark hatte keine Angst sich anzustecken, er dachte nie an die Gefahr, denn all sein Streben galt denen, die seiner Hilfe bedurften. Er würde auch nicht überrascht sein oder sich beklagen, wenn die Krankheit auch ihn erfassen und ihn so mit den Menschen, denen er diente, noch enger zusammenbringen sollte. Während die beiden näher kamen, wechselte er mit dem alten Mann einige freundliche Worte; beide waren sie ja gewöhnt, daß man sie mit Verachtung behandelte - es lohnte nicht, sich darüber zu erregen. Cadfael bemerkte den hinkenden, aber kräftigen Gang des alten Mannes und die ausladende Geste seiner linken Hand, die für einen Augenblick aus dem weiten Ärmel seines Gewandes zum Vorschein kam, als er sich von Marks fürsorglichem Griff losmachte und seinen Weg allein fortsetzte.
    Mark nahm diese Abweisung achtungsvoll hin und wandte sich Cadfael zu. Dieser hatte gesehen, daß an der linken Hand des Aussätzigen, die einst lang und wohlgeformt gewesen war, Zeige-und Mittelfinger fehlten und daß vom Ringfinger nur noch die ersten beiden Glieder vorhanden waren. Außerdem war ihm aufgefallen, daß die Haut an den Stümpfen faltig, trocken und fast weiß war.
    »Kein sehr edles Betragen«, sagte Mark mit trauriger Resignation und schüttelte die trockenen Grashalme von seiner Kutte. »Aber Angst macht die Menschen grausam.«
    Bruder Cadfael bezweifelte, daß Angst in diesem Fall eine Rolle gespielt hatte. Huon de Domville machte nicht den Eindruck eines Mannes, der vor irgend etwas Angst hatte, außer vielleicht vor der Hölle. Allerdings mußte man sagen, daß das Leben eines Aussätzigen schon fast die Hölle war.
    »Ist er neu hier?« fragte er und sah dem hochgewachsenen Mann nach, der sich wieder am Straßenrand aufgestellt hatte.
    »Ich glaube nicht, daß ich ihn schon vorher einmal hier gesehen habe.«
    »Nein, er ist erst vor etwa einer Woche zu uns gekommen. Er befindet sich auf einer ständigen Pilgerreise und zieht von einem Reliquienschrein zum nächsten, soweit sein Zustand dies erlaubt. Er sagt, er sei siebzig Jahre alt, und ich glaube ihm. Lange wird er wohl nicht bei uns sein - er ist nur hierher gekommen, weil die sterblichen Überreste der heiligen Winifred in dieser Kirche geruht haben, bevor man sie in die Abtei gebracht habt. Dorthin darf er nicht gehen, es ist zu nah an der Stadt. Hier jedoch ist er willkommen.«
    Cadfael, der wußte, wo die Gebeine der Heiligen ruhten - ein Wissen, das er seinem arglosen Freund jedoch nicht anvertrauen konnte -, rieb sich gedankenverloren die knollige, sonnenverbrannte Nase. Er war davon überzeugt, daß die heilige Winifred selbst in ihrem weit entfernten Grab in Gwytherin die Gebete eines armen, von Krankheit gezeichneten Mannes vernehmen und erhören würde.
    Seine Augen ruhten auf dem großen, hochaufgerichteten Mann. In ihren weiten Mänteln mit den Kapuzen und dem Stück Stoff, das die Gesichter derer verhüllte, die am schwersten entstellt waren, schienen Männer wie Frauen, Alte wie Junge, allein und vor den Blicken anderer Menschen verborgen die letzten Jahre ihres Lebens zu verbringen. Weder ihr Geschlecht noch ihr Alter, ihre Hautfarbe, ihre Herkunft, ihre Religionszugehörigkeit ließ sich erraten - sie alle waren lebende Geister, deren Gedanken und Gefühle nur ihr Schöpfer kannte.
    Nein, das stimmte nicht ganz: Jeder von ihnen unterschied sich von den anderen durch seinen Gang, seine Stimme, seine Gestalt, seine Verhaltensweisen. Dies alles konnte das Gewand nicht verbergen, dies alles machte jeden von ihnen zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit. Dieser Mann dort, der schweigend am Straßenrand stand, besaß eine kraftvolle Ausstrahlung, und die Tatsache, daß er selbst angesichts der Drohung geschwiegen hatte, verlieh ihm eine seltene und beeindruckende Würde.
    »Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Ja, aber er ist sehr wortkarg«, antwortete Mark. »Aus seiner Sprechweise schließe
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