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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin
Autoren: Jocelyne Godard
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1.
    Das Gespann raste mit atemberaubender Geschwindigkeit dahin. Hector und Cäsar keuchten vor Anstrengung und galoppier ten, so schnell sie konnten. Leo, der Kutscher, lenkte den Wagen, der seit wenigen Minuten von zwei Reitern über die Straße nach Moulins gejagt wurde. Alix und ihre Begleiterinnen saßen dicht aneinandergedrängt in der Kutsche und wurden im Rhythmus der Hufe hin- und hergeworfen. Die Zügel fest in der Hand, den Blick starr nach vorn gerichtet, wartete Leo auf einen geeigneten Moment, um die Verfolger abzuhängen. Die beiden Reiter holten jedoch auf, und trotz des verbissenen Kampfes des Kutschers trennten sie bald nur noch wenige Meter voneinander.
    Um zu sehen, wie dicht ihnen die anderen auf den Fersen waren, steckte Alix den Kopf aus dem kleinen Fenster.
    Â»Sie kommen, Leo, lass sie nicht überholen.«
    Leo und die Pferde gaben noch einmal alles, und eine Zeit lang hielten sie diese irrsinnige Geschwindigkeit durch. Der Wind pfiff an den gespitzten Ohren der Tiere vorbei, strich über ihre schweißbedeckten Flanken und riss den Schaum mit sich, der sich am Maul der Pferde gebildet hatte.
    Â»Das ist sicher Bellinois«, murmelte die junge Frau.
    Â»Woher willst du das wissen?«, fragte Angela, die langsam erbleichte.
    Â»Das ist nicht schwer. Er hat bereits beim letzten Mal verhindert, dass ich der Vorladung des Richters Folge leiste. Nun versucht er es aufs Neue. Jeder weiß, wer nicht erscheint, ist im Unrecht.«
    Â»Aber«, stellte Arnaude, die den Mädchen auf der anderen Bank gegenübersaß, aufgeregt fest, »wenn das wirklich Maître Bellinois ist, könnte man meinen, er wolle dich diesmal umbringen. Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, hat er sich bislang mit dem Schreiben von Drohbriefen begnügt.«
    Â»Er gibt mir die Schuld! Damit war zu rechnen. Aber ich werde ihm zeigen, wozu ich fähig bin.«
    Erneut steckte sie den Kopf aus dem Fenster. Der Wind riss an den kastanienbraunen Haaren unter ihrer Haube und löste einige Strähnen. Alix schrie, um das Pfeifen des Windes zu übertönen, und beugte sich noch weiter hinaus:
    Â»Lass dich von diesen Männern nicht beeindrucken, Leo. Unsere Pferde sind gewiss genauso zäh wie ihre. Denk daran, dass wir in ein oder zwei Stunden beim Richter sein müssen. Wenn ich zu spät komme, bringt mich das in eine sehr unangenehme Lage.«
    Die ganze Geschichte hatte vor fast zehn Jahren begonnen. Damals fertigte Alix in ihren Werkstätten ein Millefleurs-Ensemble aus sieben Wandteppichen, das Das höfische Leben zum Thema hatte. Einer davon war aus der Werkstatt in Tours entwendet worden.
    Schon damals wusste sie, dass es sich bei dem Dieb um Maître Bellinois handelte, einen Weber aus Felletin in La Creuse. Bei ihm hatte der Duc d’Amboise diese bedeutende Arbeit ursprünglich in Auftrag gegeben, sie ihm dann jedoch entzogen, um sie von Alix de Cassex vollenden zu lassen. Die zentralen Figuren waren bereits fertig gewesen. Es fehlte noch der Hintergrund, vor dem sich die Damen und Herrschaften bewegten. Dieser Hintergrund bestand nun aus wundervollen Millefleurs, der Spezialität der jungen Seidenweberin.
    Da Maître Bellinois dringendere Bestellungen zu fertigen hatte, war er durchaus damit einverstanden gewesen, dass Charles d’Amboise Alix die unvollendete Arbeit übergab.
    Als er allerdings sah, welch prächtige Tapisserien die Werkstatt von Alix verließen, wie wundervoll die Farben leuchteten und wie hervorragend die Teppiche gearbeitet waren, bedauerte er seine Entscheidung plötzlich und beanspruchte die Arbeit ganz für sich. Schließlich ging er so weit, das letzte Stück direkt aus dem Webstuhl seiner Konkurrentin zu stehlen.
    Â»Gut gemacht, Leo, wir sind fast da. Moulins ist nicht mehr weit. Ich sehe schon die Stadtmauern.«
    Kaum zeichneten sich die ersten Häuser am Horizont ab, schleuderte die Kutsche in Richtung Straßenrand und neigte sich gefährlich nach rechts. Alix hörte Cäsar wiehern, doch der ungestüme Hector richtete sich auf und schaffte es mit einem Stoß seiner Lenden, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Hinzu kam Leos Geschicklichkeit, und schon befand sich das Gespann wieder auf der Straße.
    Aber die beiden Reiter waren noch nicht fertig mit ihrem verrückten Angriff. Während Angela sich noch die schmerzende Schulter rieb, mit der sie hart gegen die Kutschwand gestoßen
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