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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Autoren: Ellis Peters
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der Hand, aber trotz ihrer guten Haltung wirkte sie niedergeschlagen. Ihre reichen Gewänder aus goldenen und dunkelblauen Seidenstoffen schienen ihre zerbrechliche Gestalt fast zu erdrücken, denn sie wirkte verkrampft und eingeengt wie ein Toter in seinem Sarg. Durch den Schleier aus Goldgewebe, der von ihrem vollen, blonden Haar über ihr Gesicht hing, sah sie starr geradeaus. Sie hatte ein sanftes, fein geschnittenes Gesicht und große, blaugraue Augen, sah aber so blaß und eingeschüchtert aus, daß sie eher wie eine hübsche Puppe als wie ein lebendiger Mensch wirkte. Cadfael hörte, wie Mark scharf die Luft einzog. Es tat schon weh, die Jugend so stumm und aller Freude beraubt zu sehen.
    Auch dieser hohe Herr bemerkte, welchem Zweck das Haus bei der kleinen Kirche diente und an welcher Krankheit die Menschen litten, die dort standen, um seine Nichte vorbeireiten zu sehen. Er ritt nicht, wie Huon de Domville, auf sie zu, um sie zu vertreiben, sondern wich zur anderen Seite der Straße aus, um seinen Abstand zu den Aussätzigen zu vergrößern, und wandte sogar den Kopf ab, damit sein Blick nicht auf die Kranken fiel. Das Mädchen war so tief in seine Traurigkeit versunken, daß es die Gestalten in ihren weiten Gewändern nicht bemerkt hätte, wenn Bran nicht halb die Böschung hinuntergelaufen wäre, um besser sehen und mit leuchtenden Augen zu den Reitern aufblicken zu können. Diese Bewegung, die sie aus dem Augenwinkel heraus wahrnahm, schreckte sie aus ihrer Versunkenheit auf, und als sie aufsah und den kleinen Jungen bemerkte, bedachte sie ihn mit einem Blick, aus dem Mitgefühl mit einem menschlichen Wesen sprach, das vom Schicksal noch härter geschlagen war als sie. Einen Augenblick lang lag in ihren Augen nichts als entsetztes Mitleid, doch als sie sah, daß sie sich getäuscht hatte, daß Bran sich nicht als bemitleidenswert empfand, sondern ihr selbstvergessen zulächelte, lächelte auch sie. Ihr Lächeln währte nur einen Augenblick, aber in diesem Augenblick strahlte sie eine warme, heitere und doch schmerzliche Güte aus, und bevor sich wieder die Wolken der Trauer über ihr Gesicht legten, beugte sie sich über den Sattelknauf ihrer Tante und warf eine Handvoll kleiner Münzen vor dem Jungen ins Gras. Bran war so verzaubert, daß er sich nicht bückte, um das Geld aufzusammeln, sondern ihr mit großen Augen und offenem Mund nachsah.
    Sonst gab keiner aus dem Gefolge den Aussätzigen ein Almosen. Zweifellos würde das Geld erst am Torhaus des Klosters verteilt werden, wo sich gewiß schon eine große Anzahl erwartungsvoller Bettler versammelt hatte und die Gaben einen größeren Eindruck machen würden.
    Ohne zu wissen warum, richtete Cadfael seinen Blick von dem Kind auf Lazarus. Bran mochte sich, ohne Neid oder Habgier zu empfinden, an den bunten, herrlichen Kleidern derer ergötzen, denen das Schicksal freundlicher gesonnen war als ihm, aber einer, der mehr Lebenserfahrung besaß, mochte beim Anblick dieser für ihn unerreichbaren Schätze einen bitteren Nachgeschmack verspüren. Ohne sich von der Stelle zu rühren, hatte der alte Mann nur den Kopf gedreht, um die drei Reiter nicht aus den Augen zu lassen - die Kammerzofen und Diener, die ihnen folgten, hatte er keines Blickes gewürdigt.
    Die Augen zwischen der Kapuze und dem Gesichtstuch leuchteten blaßblau wie Eis. Nicht eine Sekunde lang ließ Lazarus die junge Braut aus den Augen, und selbst als das letzte Packpferd hinter der Kurve an der Klostersiedlung verschwunden war, stand er reglos da, als könne sein Blick der Gesellschaft bis zum Torhaus des Klosters folgen und die Mauern durchdringen, um sie auch dort zu beobachten.
    Mit einem tiefen Seufzer wandte sich Bruder Mark an Cadfael. »Und das ist die Braut?« fragte er verwundert. »Sie wollen sie wirklich mit diesem Mann verheiraten? Dabei könnte er ihr Großvater sein - und er sieht nicht so aus, als wäre er ein gütiger alter Mann. Wie kann man nur so etwas tun?« Wie Lazarus sah er die leere Straße hinunter zur Klostersiedlung.
    »Sie ist so jung, so verletzlich! Und hast du ihr Gesicht gesehen? Wie traurig es aussieht! Es ist gewiß nicht ihr Wille, mit Huon de Domville verheiratet zu werden!«
    Cadfael antwortete nichts; es gab nichts Tröstendes, was er dazu hätte sagen können. Solche Ehen, bei denen es um Ländereien, Reichtum und Verbindungen ging, waren etwas ganz Alltägliches, und was die Braut - und oft genug auch der junge Bräutigam - zu dieser Heirat zu sagen
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