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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Autoren: Ellis Peters
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ich, daß seine Lippen oder seine Zunge beschädigt sind. Er spricht langsam und etwas undeutlich, und er ermüdet schnell. Aber seine Stimme ist tief und ruhig.«
    »Womit behandelst du ihn?«
    »Er sagt, er habe eine eigene Salbe und brauche keine Behandlung. Er hat niemandem hier sein Gesicht gezeigt, und darum glaube ich, daß er stark entstellt ist. Hast du bemerkt, daß einer seiner Füße verkrüppelt ist? Er hat alle Zehen an diesem Fuß verloren, nur vom großen Zeh ist noch ein Stumpf geblieben. Er hat sich einen besonderen Schuh für diesen Fuß anfertigen lassen, mit einer steifen Sohle, die ihm das Gehen erleichtert. Der andere Fuß wird wohl auch in Mitleidenschaft gezogen sein, wenn auch nicht so schlimm.«
    »Ich habe seine linke Hand bemerkt«, sagte Cadfael. Solche Hände hatte er früher schon gesehen: Die Finger faulten, bis sie abfielen wie dürres Laub, und meist fraß sich die Fäulnis langsam weiter, bis schließlich die ganze Hand verloren war.
    Doch hier schien es ihm, als sei die Krankheit an ihrer eigenen Gier zugrundegegangen. An den Stümpfen war kein Geschwür zu sehen gewesen; die weißen Narben waren trocken und verheilt, wenn auch unschön anzusehen. Und die Muskeln in der Hand des alten Mannes hatten den Eindruck gemacht, als könnten sie zupacken.
    »Hat er gesagt, wie er heißt?«
    »Er sagt, sein Name sei Lazarus.« Bruder Mark lächelte. »Ich glaube, diesen Namen hat er sich selbst gegeben - vielleicht, als er seine Familie und sein Haus verließ, wie das Gesetz es befiehlt. Das ist, so schrecklich es auch sein mag, eine Art zweiter Geburt. Er war sein eigener Pate bei seiner zweiten Taufe. Ich bin nicht weiter in ihn gedrungen, aber ich wollte, er würde unsere Hilfe annehmen und sich nicht nur auf seine eigenen Mittel verlassen. Er hat gewiß einige wunde Stellen oder Geschwüre, die wir mit deinen Salben behandeln könnten, bevor er wieder weiterzieht.«
    Gedankenvoll betrachtete Cadfael die reglose Gestalt des Mannes, der an der Böschung stand. »Und dennoch kann er alles fühlen. Er kann doch alle Finger und Zehen bewegen, die ihm geblieben sind, nicht wahr? Spürt er Wärme, Kälte und Schmerz? Merkt er es, wenn er sich die Hand an einem Nagel oder einem Splitter aufreißt?«
    Mark war sich nicht sicher; die Krankheit äußerte sich für ihn nur in den häßlichen, schwärenden Wunden, die er behandelte.
    »Den Peitschenhieb hat er, auch durch sein Gewand hindurch, gespürt - da bin ich sicher. Ja, gewiß spürt er so viel wie andere Menschen auch.«
    Aber diejenigen, die vom echten Aussatz befallen waren, dachte Cadfael und rief sich den Anblick jener bedauernswerten Menschen ins Gedächtnis zurück, die er vor langer Zeit, während des Kreuzzugs, gesehen hatte, diejenigen, deren Haut jede Farbe verlor und sich an den grauen Stellen wie Puder auflöste, spürten, wenn die Krankheit sie fest im Griff hatte, Berührungen nicht wie andere Menschen. Sie verletzten sich, sie bluteten... und spürten doch nichts von ihrer Wunde.
    Sie streckten im Schlaf einen Fuß ins Feuer und wachten erst vom Gestank des verkohlenden Fleisches auf. Sie berührten etwas und merkten es nicht, sie griffen nach etwas und konnten es nicht aufheben. Sie fühlten nichts, sie konnten ihre Finger, Hände, Zehen nicht mehr gebrauchen, und ihre Gliedmaßen verfaulten und fielen ab. Auch Lazarus hatte Finger und Zehen verloren. Aber Aussätzige konnten nicht gehen, nicht einmal hinken - und doch konnte Lazarus auf eigenen Beinen stehen, er hatte sich vom Boden erhoben und mit der verkrüppelten Hand den Arm ergriffen, den Mark ihm hingehalten hatte. Zu all dem wäre ein Aussätziger nicht imstande gewesen - es sei denn, der Dämon, der von ihm Besitz ergriffen hatte, wäre an seiner eigenen Gier zugrunde gegangen.
    »Glaubst du, es wäre möglich, daß Lazarus gar nicht an Aussatz leidet?« fragte Mark hoffnungsvoll.
    »Nein«, antwortete Cadfael und schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt hat er seine Finger und Zehen durch Aussatz verloren.«
    Er verschwieg jedoch, daß seiner Meinung nach viele der Kranken, die hier behandelt wurden, keine Aussätzigen waren, auch wenn man sie als solche bezeichnete. Jeder, der nässende Wunden und bleiche, schuppende Hautausschläge oder Knoten hatte, die zu bösartigen Geschwüren wurden, galt als Aussätziger, und doch hatte Cadfael den Verdacht, daß viele dieser Krankheiten auf mangelnde Reinlichkeit oder unzureichende Ernährung zurückzuführen waren. Es tat
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