Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Brother Sister - Hoert uns einfach zu

Titel: Brother Sister - Hoert uns einfach zu
Autoren: Sean Olin
Vom Netzwerk:
steckte er sich den nächsten Chip in den Mund und zuckte mit den Schultern. »Sorry«, sagte er. »Da kann ich Ihnen nicht helfen. In Familienstreitigkeiten mischen wir uns nicht ein.«
    Ende der Durchsage. Er wandte sich wieder seinem Fußballspiel zu.
    Warum ich nicht über den Tresen sprang, um ihn zusammenzuschlagen? Gute Frage. Keine Ahnung. Asheley war ja nicht in seiner Gewalt, also interessierte er mich nicht mehr. Ich ging einfach wieder raus, sprang in den Eagle und fuhr los. Die Stadt war ja nicht groß. Ich dachte, wenn ich lange genug durch die Straßen fuhr, würde ich schon was finden. Asheleys Sweatshirt, einen Schuh oder so. Und falls das passierte, konnte sich der Scheißkerl, der das getan hatte, schon mal warm anziehen.
    Ich fuhr hoch und runter, hoch und runter, vom Strand zum Fuß der Hügelkette, vom Fuß der Hügelkette zum Strand. Kein Mensch war zu sehen. Als wüsste die ganze Stadt, was mit Asheley passiert war, und alle waren so schockiert, dass sie sich in ihren Häusern verbarrikadierten, zumal es inzwischen dunkel geworden war. Die Dunkelheit gehörte nun mal den Geistern und den Gangs. Da traute sich nur nach draußen, wer dumm genug war, es mit den Nachtgestalten aufzunehmen.
    Wie ein Irrer fuhr ich ungefähr vier Stunden kreuz und quer durch die ganze Stadt, aber ich konnte Ash nicht finden. Wahrscheinlich wäre ich immer noch unterwegs, aber irgendwann wurde mir klar, wohin sie gegangen sein musste: zu Dad.
    Ich schaute in das Fach unterm Radio, wo der Umschlag mit seiner Adresse gelegen hatte. Er war verschwunden.
    Da wusste ich, was passiert war. Alles war plötzlich glasklar. Sie hatte ihn ja schon immer idealisiert, diesen Arsch.
    Ich muss Ihnen von dem Tag erzählen, vielleicht einen Monat bevor er endgültig abhaute … Zu dem Zeitpunkt machten Mom und er sich schon länger das Leben zur Hölle. Ich war zum Spielen bei einem Freund und Dad sollte mich abholen. Ich kann mich nicht an alle Einzelheiten erinnern und weiß auch nicht mehr, welcher Freund es war. Aber die Familie hatte an dem Nachmittag was vor, irgendwas Wichtiges. Deswegen sollte Dad mich zu einer bestimmten Zeit abholen. Aber er kam nicht. Wir haben bei mir angerufen, aber niemand ging ans Telefon. Irgendwann sagte die Familie, sie könnten nicht länger warten und müssten jetzt los. Sie setzten mich vor die Tür. Da wartete und wartete ich. Drei Stunden saß ich vor der Haustür. Schließlich bin ich zu Fuß nach Hause gegangen, es müssen mehrere Kilometer gewesen sein. Als ich ankam, stand Dad auf dem Rasen vorm Haus und übte putten. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was er mir angetan hatte. Was er danach sagte, hab ich nie vergessen. Er grinste mich ganz relaxed an und zwinkerte mir zu. »Hallo, kleiner Mann«, sagte er. »Wo kommst du denn her?« Er hatte völlig vergessen, was wir verabredet hatten. Daran können Sie sehen, wie wichtig ich ihm war. Ich brach in Tränen aus und heulte wie ein Schlosshund. Die ganze Welt kam mir hohl und leer vor, wie ein Vakuum, das mich aufsaugen würde. Und wenn das passierte, würde mich niemand vermissen. Es war total beängstigend. Als ich wieder sprechen konnte, sagte ich: »Dad, ich hab auf dich gewartet. Warum hast du mich nicht abgeholt? Du hattest es versprochen!« Er ging in die Knie, um mich auf Augenhöhe anzusehen. »Hab ich das?«, fragte er. Ich nickte. »Na, dann hast du jetzt ja eine Lektion gelernt. Du hast den Weg nach Hause selbst gefunden. Du brauchst mich gar nicht.« Aber das stimmte nicht. Ich brauchte ihn. Die wahre Lektion, die ich gelernt hatte, war, dass ich ihm egal war. Ich fragte mich, was passieren würde, wenn er Asheley dieselbe Lektion erteilte. Daran würde sie zerbrechen, es würde sie total aus der Bahn werfen. Wovor ich sie mein Leben lang zu beschützen versuchte, würde doch noch über sie hereinbrechen.
    Ich machte mich auf die Suche nach seiner Adresse. Ensenada Road 1. Ich fuhr langsam und hoffte immer noch, Asheley am Straßenrand aufzulesen und sie davon überzeugen zu können, dass zu Dad zu gehen das Verkehrteste war, was sie tun konnte.
    Meine größte Sorge war, dass sie schon angekommen und Dad ganz allein gegenübergetreten war.
    Als ich das Haus fand, war es zwei oder drei Uhr nachts. Es stand etwas zurückgesetzt in einem großen Garten. Das Grundstück war nicht von diesen niedrigen Betonmauern umgeben, die sonst überall zu finden waren, sondern von einer höheren Mauer aus kunstvoll aneinandergefügten weißen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher