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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld
Autoren: Burkhard Driest
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des Gegners, gegen den sie spielte, eine Figur des bösen Gottes Mot, der in diesem Spiel auch Prats heißen könnte.
    Mot herrschte über die Unterwelt. In Zeiten der Dürre gehörte das ganze Land ihm. Die Speise des Todes war Schlamm, und Schlamm wurde Mot geopfert. Er wurde von Atargatis getötet, weil er ihren Bruder und Gemahl (Vater und Gemahl – was ist schon der Unterschied?) hinterlistig getötet hatte, indem er ihn, Baal Hammon, in seine Unterwelt hinabgelockt und gezwungen hatte, Schlamm zu essen. Aus Rache, weil Baal Hammon ihm seine Frau nicht überlassen wollte – oder: weil Trasilio seinem Freund Jaume nicht die Frau hatte überlassen wollen. Als Mot sich weigerte, Baal Hammon wieder zum Leben zu erwecken, tötete Atargatis ihn in einem rituellen Blutbad. Nach Mots Tod regnete es Öl vom Himmel. »Da wusste Atargatis, dass Baal Hammon zurückgekehrt war«, sagte Costa laut.
    »Oh, du verstehst, mein guter Freund. Aber du verstehst nicht, dass dies für Atargatis keine Rolle spielt. Sie untersteht einer höheren Ordnung, in der nur Gesetze vollzogen werden.«
    Er begriff, je nachdem in welche Richtung der böse Mot ihn, Costa, wie eine Schachfigur schieben würde, würde sie reagieren. Vermutlich gefährdete er Karins Leben am wenigsten, wenn er alles tat, was sie sagte, obwohl sie ihm das natürlich nicht glauben könnte. Warum sollte der gegnerische Gott ihren Befehlen folgen? Sie dachte nicht in Kategorien der Liebe. Für sie wäre es unvorstellbar, dass er es aus Liebe zu Karin täte.
    »Was soll ich tun?«, fragte er dennoch.
    »Ich will, dass du dein Hemd und deine Hose ausziehst und hierher wirfst.« Ihre Stimme war angespannt.
    Er zog sich aus und warf ihr die Klamotten vor die Füße. Sie wollte sehen, ob er eine Waffe bei sich hatte. Bevor er die Hose auszog, hatte er sich auf den Boden gesetzt, um die Schuhe abzustreifen. Er war dann sitzen geblieben, die Stofftasche mit der Waffe links neben sich. Der Holztisch verdeckte von ihr aus die Sicht darauf. Natürlich hatte sie die Leinentasche gesehen, als er in ihr Büro gekommen war, er hatte sie aber gleich auf den Stuhl neben der Tür gelegt.
    Auch seine linke Hand war verdeckt durch den Tisch. Er konnte also versuchen, die Waffe mit der linken Hand aus dem Beutel zu holen, wenn er sich dabei nicht auffällig bewegen müsste. Allerdings würde er nicht wagen, mit links zu schießen, es hätte für Karin eine zu große Gefahr bedeutet.
    Die beiden Frauen saßen immer noch da wie auf einem Picasso-Gemälde aus der Blauen Periode, eng aneinander geschmiegt, und Costa begann, die Tasche langsam heranzuziehen.
    »Papi ist frei«, sagte sie und lächelte.
    Nachdem Atagartis Mot getötet hatte, konnte Baal Hammon zurückkehren. Oder anders: Nachdem Laureana Prats getötet hatte, konnte Trasilio Sanchez zurückkehren. Er musste sie ablenken – und versuchte es blindlings. »Atagartis hat ihn befreit. Mot ist tot.« Er hatte jetzt die Fingerspitzen in der Tasche.
    »Obwohl du gekommen bist, muss ich Papis Werk vollenden.«
    Sie hatte seine Andeutung über die Rache an Mot, der für sie ihr Stiefvater war, angenommen. »Ja, das ist schade«, sagte er, und seine Finger krochen in die Tasche hinein.
    Sie lächelte. »Mit ihrer Sichel zerteilte sie ihn, mit ihrer Geißel schlug sie ihn, mit Feuer verbrannte sie ihn, mit Mühlsteinen zermahlte sie ihn, auf die Felder verstreute sie ihn.«
    »Ja. Nur verstehe ich nicht, warum der Pilot, die zwei Schwarzafrikaner und Gilles Keulemans sterben mussten. Du hättest doch einfach Mot hinrichten können.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Papi musste durch die gleiche Konstellation erlöst werden, durch die er in die Zwischenwelt geraten war.«
    »Zwischenwelt?«
    »Er konnte nicht beerdigt werden. Er war nicht im Sarg. Selbst im Katholizismus kann ein Selbstmörder nicht zu Gott. Jetzt, da Jaume sich auf die gleiche Weise gerichtet hat, ist Papi erlöst. Er wird zu mir zurückkommen, in welcher Gestalt auch immer.«
    »Du hast ihn erlöst, du warst wichtig.«
    »Ja, das bin ich.«
    »Wie konnte eine so wichtige Person es riskieren, ein Flugzeug zu einem Sturzflug zu lenken, wo du eine so schlechte Fliegerin bist?«
    »Eine kleine Lüge. Ich habe alle Rennen gegen Onkel Jaume gewonnen. Ich habe immer gegen ihn gewonnen, er hatte nie eine Chance.« Das Lächeln eines kleinen schamhaften Mädchens: »Na ja, eigentlich bin ich ja nicht die große Heldin. Papi sagt mir alles. Von ihm war auch die Idee, Onkel Jaume die
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