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Brennende Kontinente

Brennende Kontinente

Titel: Brennende Kontinente
Autoren: Markus Heitz
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niemand wollte sich der Gefahr
    aussetzen, in Gefangenschaft zu geraten.
    Prynn schloss die Augen, er bebte vor Sorge um Furanta, und sein altes Herz geriet aus dem Takt.
    »Allerhöchster Kaiser«, begann er vorsichtig, »in Eurem Schmerz um Euren Bruder ...«
    »Die Drohung von Ketten schreckt wohl nicht genug?« Nech ließ die Sanfte anhalten, hob sein Schwert und schleuderte es geradewegs nach dem alten Mann.
    »Nein!« Furanta warf sich mit einem Schrei in die Bahn der wirbelnden Klinge. Die Spitze bohrte sich durch ihr dünnes Kleid, durch ihre weiche Haut und die Knochen darunter. Rücklings fiel sie gegen ihren Onkel, der mit ihr zusammen in die Kissen der Sänfte stürzte. Ein lauter, von der Menge aus‐
    gestoßener Schrei brandete gegen die Hauswände und brach abrupt ab. Das Grauen hielt die Menschen gepackt.
    »Lasst es euch eine Lehre sein«, rief Nech laut über die Köpfe der erschütterten Einwohner hinweg.
    »Ich bin der Herrscher von Tersion, bis Alanas Augen sich wieder öffnen. Ich erwarte Unterwerfung und Gehorsam, wie es sich gebührt, oder ich flute die Plätze dieses Ortes mit eurem Blut und lasse das Hafenbecken davon überquellen.« Er bedeutete den Trägern, dass sie weitermarschieren sollten. Diener sprangen Prynn zur Seite und halfen ihm. Aus eigener Kraft hätte er sich nicht unter Furanta hervor winden können. Seine Nichte war tot. Ihre braunen Augen starrten gläsern an die Unterseite des Baldachins; rotes Blut sickerte aus der Wunde in ihrem Unterleib und tränkte Prynns Robe. Er schlug die Hände vors Gesicht und wurde sich mit einem Mal der Stille bewusst, die auf der Prachtstraße herrschte. Die Spannung war greifbar, es fehlte die Winzigkeit, um die angestauten Gefühle der Bewohner ausbrechen zu lassen.
    Auch wenn er Nech für seine sinnlose Tat den Tod wünschte, sammelte sich Prynn und ließ die Finger sinken, die wie Gitterstäbe vor seinen Augen lagen. »Volk von Baiuga«, krächzte er, dann räusperte er sich. »Volk von Baiuga! Geht nach Hause. Kehrt in die Häuser zurück oder sucht nach den Mördern des Kaisers, die auch meiner Nichte den Tod brachten«, beschwor er sie. »Unternehmt nichts gegen die Angorjaner. Es würde uns allen den Untergang bringen.«
    Die Masse schwieg ihn an, rührte sich nicht.
    Schließlich trat eine Frau vor und rief mutig: »Alle Macht Iuwantor!«
    Kontinent Ulldart, Königreich Türis, Ammtara, Winter im Jahr 1/2 Ulldrael des Gerechten (460/461 n.S.)
    Iashtak stand auf dem Turm des Versammlungsgebäudes, die roten Augen schweiften beunruhigt über Ammtara. Sie nannte sich Freie Stadt und befand sich dennoch in den Händen von ungewollten Gästen.
    In den Straßen, auf den Plätzen, in den kleinsten Gässchen wimmelte es nur so von den grünhaarigen Fremden. Sie liefen umher, erkundeten jeden Winkel und freuten sich wie kleine Kinder über das, was sie sahen. Vereinzelt erklangen merkwürdige Gesänge und Töne von unbekannten Musikinstru‐
    menten, die in seinen empfindlichen Ohren schmerzhaft fiepten und quakten. Anscheinend fanden sie in Ammtara einen
    Ort, nach dem sie lange gesucht hatten.
    Sie verhielten sich friedlich, wirkten glücklich und gaben keinen Grund zur Sorge, wenn man dabei eines nicht vergaß: Sie hatten bei ihrer Ankunft das Heer der Kensustrianer zerschlagen, das vor Ammtaras Toren gelagert hatte, und betrachteten sich als deren Todfeinde. Obwohl sie ihnen buch‐
    stäblich bis aufs Haar glichen.
    Um Ammtara war ein Streit ausgebrochen, der viel weitere Kreise zu ziehen drohte. Zahlreiche Menschen oder, besser gesagt, Kreaturen würden mitreden wollen, und es sollte unzählige Treffen mit Leuten geben, die weder Ammtara noch die Fremden kannten und sich dennoch erlauben wollten, einen Beschluss zu fassen. Einen Beschluss, der sie gar nicht betraf, was Pashtaks Unwohlsein noch mehr steigerte.
    Das alles schmeckte ihm nicht. In seinem Magen lag ein Klumpen, als habe er zu viel von Shuis köstlicher Faduch‐Schwanz‐Suppe gegessen, und ähnlich schwer drückten ihm die Grünhaare auf die Seele. Er musste die Fremden loswerden, doch es wollte ihm keine Möglichkeit einfallen, sie ohne Gewalt zu vertreiben.
    Pashtak wünschte sich Estra, die Inquisitorin, an seine Seite. Sie hätte ihm die Sprache der Fremden übersetzen und ein Stück ihrer Rätselhaftigkeit nehmen können, aber sie befand sich irgendwo in Kensustria, das von den Neuankömmlingen gesucht wurde. Um was zu tun? Es zu überfallen? Er brummte ungehalten und
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