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Brennende Kontinente

Brennende Kontinente

Titel: Brennende Kontinente
Autoren: Markus Heitz
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Hauptstadt vor zu hohen Wogen und Angreifern schützten. Auf zwei künstlichen Inseln standen Wachtürme, steinerne Hüter der Hafenpforte, zwischen denen sich knapp unterhalb der Wasseroberfläche eine mächtige Kette spannte.
    Im Grunde gab es wenig, was Baiuga und er fürchten muss‐ten. Bis auf das, was die Galeeren brachten: eine kleine, zierliche Frau.
    Seine Nichte stellte sich neben ihn. »Ach, Onkel Prynn«, seufzte sie und legte ihm eine zusätzliche Decke um die dünnen Schultern. Ihre zu Zöpfen geflochtenen blonden Haare waren selten für eine Tersionin; ihr Vater, so erzählte man sich, gehörte zu den rogogardischen Freibeutern, der in Baiuga nichts außer dem Herz ihrer Mutter geraubt und ihr
    ein lebendiges Andenken an eine gemeinsame Nacht hinterlassen hatte. Furanta war stolz auf ihre besondere Haarfarbe.
    »Alle Häuser wussten, dass ihre Abwesenheit nicht ewig währt.« Sie richtete das hellblaue Seidengewand, in daß raffinierte Schlitze auf dem Rücken und von der Taille abwärts eingearbeitet waren.
    »Aber beinahe jeder hat es sich gewünscht.« Prynns Lippen wurden schmal. Viele Errungenschaften und Freiheiten gerieten in Gefahr, und die Sklaverei, die Lodrik Bardrif während der Zeit der Eroberung abgeschafft hatte, würde zurückkehren. Ein Land ohne Unfreie ‐ so hätte er Tersion gerne weitergeführt, und die Mehrheit der Häuser folgte Prynn auf diesem Kurs. Nicht zuletzt gefiel ihm die Macht, die er und damit das Haus Iuwantor ausübte. Niemals hätte er gedacht, dass er sich so rasch daran gewöhnen würde. »Ein schöner Traum geht zu Ende«, sagte er vieldeutig. Furanta ließ den Blick über die Befestigungsanlage schweifen. Prynn erkannte in ihren Augen, woran sie dachte. »Nein, wir werden sie gewiss nicht versenken. Die Folgen wären unabsehbar. Für unser Haus, für Tersion. Und für Ulldart.«
    Sie setzte sich auf die weiße Balustrade und lehnte den Rücken an eine Säule. »Ich hätte dir dergleichen niemals unterbreitet«, sagte sie leise und meinte damit das Gegenteil. Prynn wandte sich zu ihr und legte eine faltige Hand auf ihren Kopf. »Es ist vorbei. Wir waren Verwalter und keine Regenten.« Es waren Worte der Aufgabe, des Rückzuges, und sie fielen ihm schwer. Er betrachtete die Stadt, die weiß getünchten Häuser, in denen so viele Menschen wie in etwa zwanzig Dörfern zusammenlebten. Die breite Prachtstraße, die in gerader Linie vom Hafen zum Palast führte, hatte er immer gemocht. Jetzt betete Prynn, dass sie sich auftun und verschwinden würde, damit auf ihr niemand zu dem Hügel gelangte, auf dem sich der Palast befand. In den Straßen und Gassen herrschte vielfältiges Treiben. Die Menschen ahnten noch nicht, was ihnen die Schiffe brachten; dass die Vergangenheit zurückkehrte und einige Tausend Bewohner in Ketten legen würde.
    Darf ich es zulassen? Muss ich weichen? Prynn hörte das aufgeregte, begeisterte Rufen, das aus der Arena herüberklang. Die Tersioner jubelten den Shadoka zu, Kämpfern, die für das Geld und die Ehre der tersionischen Herrschaftsfamilien ihr Leben aufs Spiel setzten. Schlagartig wurde es still.
    In einem Augenblick der unheilvollen Ruhe vernahm er das Klirren von Waffen, danach einen langen Schrei. Einen Todesschrei. Gleich darauf brandete lauter Beifall auf, ein Kampf war zu Ende gegangen. Prynn verstand es als Zeichen: Seine Zeit als Regentschaftsverwalter war vorüber. Er musste sich fügen, um noch größeres Leid zu vermeiden. Nicht noch ein Krieg.
    »Was bleibt uns also?«, meinte Furanta niedergeschlagen.
    »Die Hoffnung, dass sie sich umstimmen lässt und unseren Weg geht. Überall auf Ulldart sind Neuerungen im Gange.« Er fuhr ihr über das Haar und lächelte; aus den dünnen Fältchen auf seinem sonnengebräunten Antlitz wurden dunkle Linien, die endlos tief wirkten. Sie zerschnitten das Lächeln, zerstörten es und offenbarten einen Teil seiner wahren Gefühle. »Warum nicht auch hier?«
    Die junge Frau lehnte den Kopf gegen die Brust des alten
    Mannes und schwieg, während sie Baiuga betrachtete. Das
    rogogardische Blut in ihr wallte, sie dachte nicht daran, die
    Macht ihres Hauses aufzugeben. Sie hasste die Regentin, ohne sie gesehen zu haben, und ihre Augen schleuderten all
    ihre Empfindungen aufs Meer zu den Schiffen, die schneller und schneller wurden. Leider besaß sie nicht mehr als ihren Hass. »Du hast Recht«, sagte sie schließlich, als füge sie sich vorerst. »Warum nicht auch hier?«
    Stumm beobachteten sie
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