Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennende Kontinente

Brennende Kontinente

Titel: Brennende Kontinente
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
die Galeeren, dann verkündete der linke der beiden Wachtürme der Stadt mit lautem Schlagen der Signalglocke das Nahen der vertrauten Fremden. Furanta schlang bei den durchdringenden Klängen die Arme Hilfe suchend um ihren Onkel.
    Auch woanders wurde das Signal gehört.
    Tief in den Schatten von Baiuga lauerte eine andere Vergangenheit, die weder vergab noch vergaß. Sie hatte sich wie ausgelaufene Tinte in den dunkelsten Ritzen der Stadt verteilt, war unsichtbar und doch allgegenwärtig geworden. Und sie lauerte.
    Der Schlag der Glocke erweckte sie, brachte sie dazu, sich an einem Ort zu sammeln und zu einem Hort der Finsternis zu werden.
    Dieser Hort sandte seine Schatten aus.
    Alana die Zweite stand an Deck und achtete darauf, noch nicht gesehen zu werden. Ihr Erscheinen musste inszeniert und voller Wirkung sein, als bräche die leuchtende Sonne durch finstere Wolken. Ihre Dienerinnern umringten sie und schirmten sie vor den Blicken der Wartenden ab, die sich im Hafen versammelt hatten.
    »Wie merkwürdig.« In ihrem Kopf rangen die Gedanken
    mit den aufsteigenden Gefühlen. Der Anblick ihrer geliebten Stadt, aus der sie die Truppen von Bardric vertrieben hatten, ließ ihr Tränen der Rührung und der Freude in die Augen treten. Gleichzeitig war ihr nicht entgangen, dass Baiuga sichtlich in zwei Lager gespalten war.
    »Was ist merkwürdig?«, fragte ihr Gatte, Lubshä Narsʹanamm. Er überragte sie sowohl in der Breite als auch in der Länge um einiges und war die Verkörperung des mächtigen Kriegers, trotz seines fortgeschrittenen Alters. Er trug wie seine Alana einen dünnen Überwurf aus weißer Seide, darüber lag die wertvolle Rüstung aus Iurdum und kleinen Eisenplättchen. Die langen schwarzen Haare fielen mähnengleich auf seine breiten Schultern. Auch wenn Lubshä es nicht musste, er achtete darauf, dass die Schiffe anlegten, ohne sich zu berühren oder mit ihren langen Rammspornen die Mauern zu beschädigen.
    »Die Art, wie ich empfangen werde.« Als die vier Galeeren langsam durch den Hafen manövrierten und in dem Teil vor Anker gingen, der für die Streitkräfte vorgesehen war, hatten Alana die etwa zweitausend Bewohner flüchtig am Kai gesehen. Sie hatten Blumen geschwenkt, Blüten ins Wasser gestreut, den Namen ihrer Regentin gerufen und Ulldrael den Gerechten gepriesen. Für eine Fünfzigjährige besaß Alana immer noch gute Augen. Sie spähte mit Hilfe eines Spiegels über die Reling. »Ich vermisse die Vertreter der wichtigsten Häuser unter meinen Bewunderern. Entweder sind die Familien von einem der Bardrics ausgerottet worden, oder«, sie senkte den Spiegel und spürte Empörung in sich aufsteigen, »sie haben die Frechheit besessen und sind einfach nicht erschienen!«
    Alana hatte sich so manchen Tag und manche Nacht Gedanken über ihre Rückkehr gemacht und sich dabei keineswegs der Illusion hingegeben, von allen freudig begrüßt zu werden. Und ihre Befürchtungen wurden wahr. Ganz Mutige Einwohner taten ihre Meinung kund, indem sie die Läden
    ihrer Fenster schlössen. Nicht überall wurden Fahnen gehisst,
    nicht jeder stimmte in die Rufe ein. Aber auch wenn sie sich
    darauf vorbereitet hatte, blieb die Empörung.
    Um keinen schlechten Eindruck zu machen, bemühte sie sich, Verständnis für die Ablehnung aufzubringen. »Ich war zu lange auf Angor«, raunte sie nachdenklich. »Sie haben es mir übel genommen, dass ich Tersion in der Zeit der Not verließ.« Sie winkte zwei Dienerinnen zu sich, die ihre halb durchsichtigen Seidengewänder richteten. Die mit Edelsteinen besetzte Kappe, das Zeichen ihrer Herrschaftsgewalt, glänzte in den letzten Strahlen der untergehenden Sonnen.
    »Du musstest flüchten, Alana. Es war kein langjähriger Ausflug, den du aus einer Laune heraus unternommen hast«, verbesserte sie Lubshä. Die Galeeren waren vertäut, und er gab das Zeichen, die Rampen auszufahren. Die ersten Garden gingen von Bord und sicherten die Stelle, an der Alana tersionischen Boden betreten würde. »Welchen Sinn hätte es gemacht, dich von Bardric in ein Gefängnis werfen zu lassen?« Er fasste ihre Hände, die zwischen seinen dunklen, breiten Fingern beinahe vollständig verschwanden. Wie die Mehrheit der Angorjaner war seine Haut tiefschwarz, was seine weißen Zähne besonders hervorhob. »Du warst in Angor besser aufgehoben.«
    Alana verzog den Mund und scheuchte ihre Dienerinnen fort. »Ich fürchte, Lubshä, dass das Volk und vor allem die Häuser dies anders sehen.« Sie hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher