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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem
Autoren: Stephen King
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Das Haus lag auf einer kleinen Anhöhe, und von dem Fenster, an dem Mrs. Norton saß, konnte man bis zur Stadt sehen. Die Aussicht war angenehm, und im Winter, wenn man über die weiten, unberührten Schneefelder sah, war sie sogar großartig.
    »Ich glaube, ich habe in einer Portland-Zeitung eine Kritik darüber gelesen. Sie war nicht sehr gut.«
    »Mir gefällt es«, sagte Susan ruhig. »Und mir gefällt er.«
    »Vielleicht wird er auch Floyd gefallen«, meinte Mrs. Norton mit unschuldiger Miene. »Du solltest die beiden miteinander bekanntmachen.«
    Susan fühlte Ärger aufsteigen und war wütend darüber. Sie hatte gedacht, daß sie und ihre Mutter die stürmischen Auseinandersetzungen nun hinter sich hätten, aber es schien alles wieder von vorne zu beginnen. Wieder war es der alte Streit zwischen Susans eigener Identität und dem Erfahrungsschatz der Mutter. Es war, als nähme man eine alte Strickarbeit wieder auf.
    »Über Floyd haben wir oft genug gesprochen, Mutter. Du weißt, daß es mit ihm nichts Ernstes ist.«
    »Die Kritik sagt, es gäbe auch einige ziemlich schmutzige Gefängnisszenen. Jungen, die es mit Jungen treiben.«
    »Ach, Mutter, um Himmels willen, was weiter?«
    »Kein Grund, zu fluchen«, sagte Mrs. Norton ungerührt. Sie gab das Buch zurück und schnippte die Asche ihrer Zigarette in einen keramischen Aschenbecher, der die Form eines Fisches hatte. Sie hatte ihn von einer ihrer Freundinnen bei der Frauenhilfe bekommen, und er hatte Susan immer irritiert, ohne daß sie ganau sagen hätte können, warum. Es schien ihr irgendwie obszön zu sein, in den Mund eines Fisches Asche zu streuen.
    »Ich werde die Einkäufe auspacken«, sagte Susan und stand auf.
    Mrs. Norton sagte ruhig: »Ich meinte nämlich, wenn du und Floyd heiraten -«
    Susans Gereiztheit steigerte sich zu kochender Wut. »Woher nimmst du das, zum Teufel? Habe ich jemals so etwas erwähnt?«
    »Ich habe angenommen –«
    »Du hast'etwas Falsches angenommen«, sagte sie hitzig und nicht ganz ehrlich. Ihre Beziehung zu Floyd hatte sich in den letzten Wochen jedoch tatsächlich abgekühlt.
    »Wenn man mit demselben Jungen eineinhalb Jahre lang ausgeh«', so habe ich angenommen«, fuhr die Mutter leise und unbeirrt fort, »bedeutet das etwas, das über Händchenhalten hinausgeht. «
    »Floyd und ich sind mehr als Freunde«, erklärte Susan.
    Ein Wortwechsel, der ungesagt blieb, hing in der Luft.
    Hast du mit Floyd geschlafen?
    Geht dich nichts an!
    Was bedeutet dir dieser Ben Mears?
    Geht dich nichts an.
    Wirst du dich in ihn verlieben und etwas Unbedachtes tun?
    Geht dich nichts an.
    Ich liebe dich, Susie. Dein Vater und ich, wir lieben dich.
    Und darauf gab es keine Antwort. Keine Antwort. Und deshalb war New York - oder irgendeine andere Stadt - so wichtig.
    Am Schluß prallte man immer gegen die Barrikade elterlicher Liebe wie gegen die Wände einer Gummizelle. Die Tatsache dieser Liebe machte jede weitere sinnvolle Diskussion unmöglich und raubte dem bisher Gesagten jeden Sinn.
    »Schon gut«, sagte Mrs. Norton leise und drückte ihre Zigarette aus.
    »Ich gehe hinauf«, sagte Susan.
    »Kann ich das Buch haben, wenn du es fertig gelesen hast?«
    »Wenn du willst.«
    »Ich möchte ihn kennenlernen«, sagte Ann Norton.
    Susan zuckte die Achseln.
    »Wirst du heute spät nach Hause kommen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was soll ich Floyd sagen, wenn er anruft?«
    Wieder überkam Susan heller Zorn. »Sag ihm, was du willst.«
    Sie hielt inne. »Das tust du ja sowieso.«
    »Susan!«
    Susan ging nach oben, ohne sich umzudrehen.
    Mrs. Norton blieb sitzen und starrte zum Fenster hinaus, ohne etwas zu sehen. Dann stand sie auf und begann wieder zu bügeln. Als sie fand, daß Susan bereits in ihre Arbeit versunken sein müsse, ging sie zu dem Telefon in der Speisekammer und rief Mabel Werts an. Im Laufe des Gesprächs erwähnte sie, sie habe von Susie gehört, daß ein berühmter Schriftsteller in der Stadt weile, und Mabel schnupfte auf und meinte, es müsse sich wohl um den Mann handeln, der ›Conway's Daughter‹ geschrieben habe, und Mrs. Norton bejahte und Mabel sagte, das sei kein Roman, sondern schlicht und einfach Pornographie.
    Mrs. Norton erkundigte sich, ob der Mann in einem Motel wohne oder –
    Nein, er wohne in der Stadt, in Evas Pension. Mrs. Norton empfand große Erleichterung. Eva Miller war eine brave Witwe, die keine unkorrekten Dinge dulden würde. Ihre Vorschriften bezüglich der Damenbesuche waren einfach und
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