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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem
Autoren: Stephen King
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Worten begraben. »Ich war hartnäckig. Ich wollte nur eins auf der Welt: auch ein ›Verdammter Pirat‹ werden ... zumindest damals. Endlich gaben sie nach und sagten mir, ich könne beitreten, wenn ich die Aufnahmebedingungen erfülle. Wir würden alle zusammen zum Marstenhaus gehen, und ich solle hineingehen und etwas herausbringen. Als Beute.« Er grinste, aber sein Mund war trocken.
    »Und was geschah?«
    »Ich bin durch ein Fenster eingestiegen. Das Haus war immer noch mit altem Plunder angeräumt, noch nach zwölf Jahren.
    Während des Krieges hatten sie die Zeitungen weggetragen, alles übrige aber dortgelassen. Auf dem Tisch in der Eingangshalle lag eine jener Glaskugeln - weißt du, was ich meine?
    Meistens ist drinnen ein kleines Haus, und wenn man die Kugel schüttelt, dann schneit es. Ich steckte sie ein, aber ich verließ das Haus nicht sogleich. Ich wollte mich als wirklich mutig erweisen. Also ging ich hinauf. In das Zimmer, wo er sich erhängt hatte.«
    »Mein Gott«, sagte sie.
    »Greif ins Handschuhfach und gib mir bitte eine Zigarette.
    Eigentlich will ich nicht mehr rauchen, aber dafür brauch' ich jetzt eine.«
    Sie gab ihm eine Zigarette und drückte den Anzünder nieder.
    »Das Haus stank. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es stank. Schimmel und Verwesung und ein ranziger Geruch wie nach schlechtgewordener Butter. Und nach Ratten. Langsam kroch ich die Treppe hinauf, ein kleiner, neunjähriger Junge, halb verrückt vor Angst. Das Haus knarrte und hüllte mich ein, und hinter dem Verputz konnte ich Lebewesen hören, die hin und her eilten. Fortwährend glaubte ich, hinter mir Tritte zu hören. Ich hatte Angst, mich umzudrehen, weil ich dann vielleicht Hubie Marsten sehen würde, der mit der Schlinge in der Hand hinter mir herstolperte – sein Gesicht ganz schwarz.«
    Ben Mears' Hände verkrampften sich um das Lenkrad. Seine Stimme hatte jegliche Gelassenheit verloren. Die Intensität seiner Erinnerung erschreckte Susan. Im Licht des Armaturenbrettes hatte er die Züge eines Mannes, der durch ein verhaßtes Land reist, das er nicht für immer verlassen kann.
    »Oben angekommen, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und lief den Gang entlang zu diesem Zimmer. Meine Absicht war, hineinzulaufen, irgend etwas auch von dort mitzunehmen und möglichst rasch wieder zu verschwinden. Die Tür am Ende des Ganges war geschlossen. Ich sah die Tür näher und näher kommen, ich sah die versilberte Türklinke. Ich drückte sie nieder, und das Geräusch der Tür, die sich gesenkt hatte, glich dem Schrei einer schmerzgepeinigten Frau. Wäre ich vernünftig gewesen, hätte ich mich vermutlich umgedreht und wäre davongelaufen. So aber nahm ich die Klinke in beide Hände und riß die Türe auf. Vor mir baumelte Hubie von einem Balken herab; sein Körper zeichnete sich gegen das Licht ab, das durchs Fenster fiel.«
    »Nein, Ben, nein -« sagte sie nervös.
    »Doch, ich sag' dir die Wahrheit«, beharrte er. »Die Wahrheit, wie sie ein neunjähriger Junge sah und an die sich der Mann vierundzwanzig Jahre später erinnert. Hubie hing dort, und sein Gesicht war nicht schwarz. Es war grün. Die Augen hielt er geschlossen. Seine Hände waren aschfahl . .. und sehr häßlich. Dann öffnete er die Augen.«
    Ben inhalierte tief, dann warf er die Zigarette aus dem Fenster.
    »Ich stieß einen Schrei aus, den man wahrscheinlich meilenweit hören konnte. Und dann rannte ich. Ich fiel die Treppe hinunter, stand auf, lief ins Freie und die Straße entlang. Etwa einen Kilometer weiter unten erwarteten mich die anderen Kinder. Da bemerkte ich, daß ich die Glaskugel noch immer in der Hand hatte. Ich besitze sie heute noch.«
    »Du glaubst doch nicht wirklich, daß du Hubert Marsten gesehen hast, Ben?« In der Ferne konnte sie das gelbe blinkende Licht im Zentrum der Stadt sehen und war froh darüber.
    Nach einer langen Pause sagte er: »Ich weiß es nicht.« Er sagte es ungern und widerwillig, als hätte er lieber »nein« geantwortet und das Gespräch damit beendet. »Vermutlich war ich erregt, daß alles eben nur eine Halluzination war. Andererseits mag etwas Wahres an der Vorstellung sein, daß Häuser die Emotionen, die in ihnen erlebt wurden, speichern, daß sie sozusagen damit aufgeladen werden. Vielleicht kann die richtige Person, zum Beispiel ein neunjähriges Kind mit viel Phantasie, als Katalysator wirken und die aktive Manifestation von .. . von irgend etwas auslösen. Ich spreche nicht unbedingt von Gespenstern.
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