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Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer
Autoren: Amon Barth
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und
    «spannende Unterhaltung». Bist du gegen
    - 252 -

    Pistolen und Gewalt, so bist du gegen den
    ganzen Staat. Bist du gegen den Staat, so bist
    du ein fauler Mitläufer, denn du nimmst nicht
    deinen Pass und all deine Papiere sowie
    staatlichen Aufforderungen und bringst sie
    zurück ins Rathaus, wo sie hergekommen sind.
    Stattdessen versuchst du dir krampfhaft
    einzureden, dass es so schlimm ja gar nicht ist.
    Es haben ja alle was zu essen, Wohnungen,
    Verkehrsmittel und alles Mögliche andere auch,
    es ist also alles in Ordnung … Wenn du aber
    doch gegen Pistolen, gegen Einmischung und
    für die Freiheit bist, was willst du dann
    machen? Alle erschießen oder wie in Fight Club
    eine Untergrundarmee ins Leben rufen? Wenn
    man, wie Max Herre sagt, mitbekommt, dass
    Komik Tragik in Spiegelschrift ist, und bemerkt,
    dass man manchmal aus Verlegenheit lacht und
    durch das Lachen Glückshormone
    ausgeschüttet werden, die den entstandenen
    Frust schnell abbauen, dann versteht man, wie
    schockierend und traumatisch es sein kann, die
    Dinge im eigenen Leben so zu sehen, wie sie
    tatsächlich sind, und nicht so, wie man es sich
    versucht einzureden.
    Liebe die Lügen
    Ich liebe nackte Frauen auf Mallorca und ihr
    Bild in meiner Zeitung/ gut gemachte Werbung
    und ihre häufige Verbreitung/ liebe eure Stars
    - 253 -

    und Big-Brother-Fetischisten/ Sabine
    Christiansen und die Macht der Journalisten/
    liebe Krieg und Frieden und die deutsche
    Polizei/ bunte Techno-Raver und Krawall am
    ersten Mai/ liebe rote Rosen und gebrochene
    Herzen/ Lottogewinner und erloschene Kerzen/
    liebe die Sprache und die brutale Gewalt/ den
    nächsten Morgen und frischen Asphalt/ liebe die
    Norm und die Provokation/ Hundewelpen und
    den göttlichen Zorn/ liebe guten Wein und
    Nächte die nie enden/ große Familien und
    Blätter zum Wenden/ liebe die Freiheit und
    Gänsehaut am ganzen Körper/ ausweglose
    Probleme und solche die ich erörter/ liebe
    meine Schwestern und deren heile Welt/ das
    Universum und den Groschen der nie fällt/ liebe
    verherrlichte Gewalt und Ficken für den
    Frieden/ Fuchspanzer und Würste die in
    Fettbecken sieden/ liebe endlose Freestyler-
    Runden und die klassische Kunst/ dicke Titten,
    Kool Savas und den bläulichen Dunst/ liebe
    meine Lügen und eure Lügendetektoren/
    knallharte Richter und Verbrecher die auf
    heißen Stühlen schmoren/ liebe mich selbst und
    deine dummen Sprüche/ besonders harte
    Drogen und gesplitterte Brüche/ liebe dein
    Grinsen und deine kalte Art/ rebellische Dörfer
    und weise Gallier mit Bart/ liebe die Kritik und
    den laut geführten Streit/ vergessene
    Versprechen und viel vertane Zeit/ liebe meine
    Mutter und Ökobabynahrung/ Hamburgs
    - 254 -

    hübsche Mädchen und Sex ohne Erfahrung/
    liebe radikalen Protest und schallenden
    Applaus/ dicke Eier, weite Hosen und den
    Nikolaus/ liebe die Liebe und Leitwölfe im
    Rudel/ Amokläufer und Kokser im Pudel/ liebe
    lange Pausen und frisch gedrehte Tüten/ lautes
    Gelächter und die Wächter die dich hüten/ liebe
    Respekt und vernichtende Blicke/
    Radiodurchsagen und dein Gehirn das ich ficke/
    liebe großen Erfolg und harte Rückschläge/
    volle Taschen und zwölf Affen im Gehege/ liebe
    gute Noten und Bravo TV/ Schläge in die Fresse
    und meditieren im Stau/ liebe eigentlich alles
    und du fragst dich wieso/ ich werde es dir
    sagen – ich sagte es nur für den Flow.
    Wieder mal verbringt meine Mutter das
    Wochenende in unserem Haus in Wilster, und
    ich bin allein. In den letzten Tagen bin ich
    ständig nervös. Schreibe hasserfüllte, ironische
    Raptexte. Auch mein Hass auf die Schule wird
    immer größer, meine Gedanken gehen durchs
    Kiffen immer verschlungenere Wege. Die Welt,
    in der ich lebe, ist mir zu schwer geworden.
    Was habe ich mit all diesen Menschen zu tun,
    die sich abschlachten, dumm und dämlich
    vögeln, einsperren, lügen und mich zwingen, in
    die Schule zu gehen?
    Ich kiffe, beruhige mich etwas. Zeitgleich
    denke ich an Maren und Silke. Ich hab's
    versaut. Ich will mich mit Maren treffen, ihr
    - 255 -

    alles erklären, obwohl ich nicht weiß, wie. Dann
    will ich unbedingt Silke sehen, mit ihr sprechen.
    Immer weiter steigere ich mich in diesen
    Wunsch hinein, während ich ein paar Köpfe
    durchziehe. Nach einer Weile bin ich breit
    genug, um der festen Überzeugung zu sein, mit
    Silke telepathisch Kontakt aufgenommen zu
    haben und zu spüren, dass sie meine wieder
    erwachte Liebe zu ihr tief im Innern
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