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Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer
Autoren: Amon Barth
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Mutter sehe ich hindurch, in dem
    festen Glauben, sie ist ein Hologramm. Das
    Fragezeichen, mit dem ich durch die Welt
    gegangen bin, hat sich in ein
    Ausrufungszeichen verwandelt. Ich habe mich
    auf eine Wahrheit festgelegt, nämlich dass die
    Realität bloß eine Illusion ist. Und dass ich der
    Einzige bin, der das durchschaut.
    Irgendwann kommen Ärzte, doch ich
    beantworte keine ihrer Fragen. Ich sehne mich
    nur nach dem Land hinter dem Spiegel. Die
    Sanitäter legen mich auf eine Trage. Endlich.
    - 269 -

    Ein großes Glücksgefühl durchströmt mich:
    Fremde Intelligenz wird mich von dieser
    armseligen Erde fortbringen.
    Aber die Männer fahren mich nicht in die
    ersehnte Welt, sondern in die Notaufnahme der
    Psychiatrie Eppendorf. Dort bindet man mich an
    ein Bett und steckt mir eine Tablette zwischen
    die Lippen.
    Nur langsam komme ich zurück. Ich bin
    ziemlich geschwächt, muss an den Tropf, weil
    ich völlig dehydriert bin. Ich versuche, mich so
    ruhig wie möglich zu verhalten. Das
    Eingesperrtsein ist eine harte Strafe. Ich
    schreie meiner Mutter entgegen: «Warum tust
    du mir das an?» Ich hämmere gegen die Tür.
    Will nur noch raus. Ein Richter entscheidet,
    dass ich bleiben muss, auch gegen meinen
    Willen. In wenigen Wochen werde ich achtzehn,
    die können mich hier doch nicht einfach
    festhalten! Ich bin empört. Die stecken doch
    alle unter einer Decke.
    Drei Tage später kommt der Richter erneut.
    Diesmal willige ich ein, mich behandeln zu
    lassen. Die Tür geht auf, und ich bekomme ein
    Einzelzimmer auf einer anderen Station.
    Ich liege viel im Bett, rede wenig. Meine Mam
    kommt jeden Tag, auch meine Schwester und
    meine Großmutter besuchen mich oft. Mir
    gegenüber lassen sie sich nicht anmerken, wie
    schockiert sie sind oder dass sie sich große
    Sorgen machen. Sie sind einfach nur für mich
    - 270 -

    da, sitzen bei mir oder erzählen mir von
    draußen.
    Schritt für Schritt helfen mir die Medikamente
    in die Wirklichkeit zurück. Mit der Zeit fühle ich
    mich besser. Ich lasse mich von Freunden
    besuchen, spiele Tischtennis, Schach und
    signalisiere allen so gut es geht, dass ich
    wieder gesund bin. Immer noch leide ich aber
    unter psychotischen Gedanken, bin mir sicher,
    dass alle Patienten Agenten sind, die mich
    testen sollen.
    Selbst in der Klinik finde ich jemanden, mit
    dem ich wieder kiffen kann. In meinen
    verworrenen Gedanken gehe ich davon aus,
    dass die Ärzte das extra so für mich arrangiert
    haben, weil das zu meiner Genesung beiträgt.
    Ist die Realität nur Illusion? Ich muss an die
    Gleichung denken, die ich damals beim Splash
    aufgestellt habe. Die Frage ist, ob ich den
    Zettel zerknülle oder weiter versuche, die
    Gleichung zu beweisen.
    Nach vier Wochen komme ich frei und treffe
    mich sofort mit den Jungs.
    «Na Alter, geht's dir wieder besser? Biste
    wieder fit?»
    «Ja, alles klar!»
    «Na, dann lass uns mal zur Feier des Tages
    einen barzen.»
    - 271 -

    Ein Pilot weiß ja auch, dass er abstürzen kann.
    Hört er deshalb mit dem Fliegen auf?
    - 272 -

Epilog
    Ich bin jetzt zwanzig. Inzwischen kiffe ich nicht
    mehr. Vieles von dem, was ich damals erlebt
    habe, habe ich heute vergessen. Vielleicht sind
    die Erinnerungen aber auch zu schmerzhaft, um
    einfach so wieder hervorgeholt zu werden.
    Gerne denke ich an die Momente zurück, als
    wir in milden Nächten oder auch bei Regen auf
    einer Bank an der Alster gesessen und gekifft
    haben. Es ist nicht die Tatsache, dass so viele
    Menschen kiffen, die mich im Nachhinein
    beschäftigt. Es ist vielmehr die Frage, warum
    die Welt in einem Zustand ist, dass Kiffen für
    viele so notwendig erscheint.
    Ich erinnere mich, wie ich einmal mit meiner
    Mutter im Garten herumschlenderte und sie zu
    mir sagte: «Alles, was Drogen bewirken
    können, kannst du auch selbst in deinem Kopf
    bewirken.» Das stimmt nicht ganz. Häufig
    denke ich aber, dass ich meine Jugend nicht
    genutzt habe. Ich würde gern vieles können
    und wissen, was zu lernen, zu leben, zu üben
    ich verpasst habe. Ich habe nicht viel gelernt,
    außer breit und damit zufrieden zu sein.
    Eigentlich wäre ich jetzt am liebsten ein
    unauffälliger Student, der viel gelesen hat und
    anfängt, seinen ersten Film zu drehen. Ich bin
    kein Opfer falscher Freunde oder so was. Wir
    - 273 -

    haben uns alle gegenseitig in dieses Verhalten
    hineingepresst.
    Ich bin kein guter Lehrer, kein Vorbild. Ich bin
    ein guter Freund der Kiffer. Das Wichtigste, was
    ich zum Umgang mit dem
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