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Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer
Autoren: Amon Barth
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Die
    Stimmung ist angespannt. Von drüben hört
    man die Jungs ihre Sprüche über die
    «peinlichen Mongosprecher» machen. Mir fallen
    immer wieder die Augen zu, während ich mir all
    den pseudopädagogischen Kram der anderen
    Jungs und Mädels anhören muss.
    Sie sind ziemlich sauer, dass ich weder etwas
    vorbereitet habe noch jetzt spontan etwas
    beisteuern kann. Mich interessiert das im
    Moment nicht. Leider ist Hannes noch nicht da,
    der das Ganze retten könnte.
    Hannes ist der einzige Typ auf unserer
    Schule, den ich bewundere. Er ist jenseits von
    allem, nicht nur von Gut und Böse. Er ist
    unberechenbar und dabei kein bisschen
    arrogant. Er liebt das Leben und hasst es
    gleichzeitig. Egal ob Hannes mit einem
    Schottenrock oder in Arbeiteruniform in die
    Schule kommt, er wird nie verarscht. Man
    respektiert ihn und lässt ihn alleine. Ob er das
    beabsichtigt, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass
    er den anderen nichts damit beweisen will.
    - 246 -

    Hannes ist nicht cool. Er ist das, was man ein
    seltenes Exemplar nennt, bei dem man sofort
    das Gefühl hat, dass die meisten anderen sein
    großes Herz und seinen Charme nicht
    verstehen. Er ist für mich ein Code, den nur ich
    knacken kann. Wir sitzen unter anderem im
    selben Philosophiekurs, und wenn wir da mal
    wieder eines unserer berühmten
    Streitgespräche führen und ich mich aus der
    ersten Reihe zu ihm umdrehe, macht das, was
    ich sehe, den ganzen Schultag erträglich: einen
    Menschen, der den Lehrern, ebenso wie den
    anderen Schülern, signalisiert: Ich gehöre hier
    nicht hin. Er drückt damit genau das aus, was
    ich empfinde.
    Endlich klingelt es. Hannes. Wir bilden sofort
    eine Allianz und ziehen uns aus dem wie eine
    Unterrichtsstunde anmutenden Gespräch
    heraus, um mit Jan, Florian und Markus zu
    kiffen.
    Maren ruft nach uns, sie wollen
    weitermachen. Hannes und ich ignorieren sie
    und reden einfach weiter über dies und das. Als
    Maren immer energischer ruft, ziehe ich Hannes
    schließlich am Ärmel zurück aus der gelben U-
    Boot-Atmosphäre in mein reales, chaotisches
    Zimmer. Wir stellen einen Dreiundzwanzig-
    Punkte-Plan auf. Dreiundzwanzig. Ich muss an
    Karl Kraus und den Film Dreiundzwanzig
    denken, schiebe den Gedanken aber schnell
    beiseite und versuche mich zu konzentrieren.
    - 247 -

    Unter anderem sollen die kleineren Schüler
    eine aktive Pause bekommen, in der sie
    Spielzeug ausleihen können, wir wollen einen
    Kopierer für Schüler fordern und uns für
    Nachhilfeunterricht an der Schule einsetzen.
    Schnell legen wir noch fest, wer sich um was
    kümmert – immerhin schaffe ich es trotz des
    Breitseins, mit Maren ein Zweierteam zu bilden –,
    und bald darauf verabschieden sich die
    Schulsprecher, bis auf Hannes. Wir setzen
    gemeinsam mit Markus, Jan und Florian unsere
    U-Boot-Reise fort und rauchen einen Joint nach
    dem anderen. Es ist ein Fest, wieder mal mit
    Freunden für so lange Zeit chillen zu können.
    Die Arbeit im Schulsprecherteam nimmt mich in
    den folgenden Wochen ziemlich in Anspruch.
    Anfangs bin ich noch ein wenig genervt von der
    Vitalität der anderen, die immerzu Engagement
    von mir einfordern und manchmal auch echt
    unentspannt sind. Aber mit der Zeit überwiegt
    das Gefühl, sich für eine gute Sache
    einzusetzen, gebraucht zu werden, etwas
    bewegen zu können.
    Außerdem werden die Treffen mit Maren
    immer kribbelnder. Wir sehen uns oft, und ihre
    fröhliche und unbeschwerte Art zieht mich
    immer mehr in den Bann. Wir flirten und
    diskutieren, wie wir unsere Projekte am besten
    durchsetzen können. Da ist so viel Energie in
    Maren, die sämtliche Gefühle für Silke in den
    - 248 -

    Hintergrund drängt. Und für das Kiffen. Ich kiffe
    nicht mehr täglich, drei- bis viermal die Woche
    reichen. Maren akzeptiert das, versucht
    manchmal, mir ins Gewissen zu reden, aber
    wenn ich mit ihr zusammen bin, kiffe ich nur
    sehr selten, sodass das nie zum richtigen
    Streitpunkt zwischen uns wird. Nach außen
    funktioniere ich trotz allem ja noch ganz gut.
    In einer Freistunde sitzen Maren und ich
    zusammen auf einer Bank im Park und bereiten
    die Abschiedsrede für einen Lehrer vor. Die
    Sonne scheint, wir lachen viel, sind ausgelassen
    und unbeschwert. Irgendwann umarmen wir
    uns. Ich beuge mich zu ihr und will sie küssen,
    doch sie dreht sich weg. Lächelt verlegen.
    «Nicht hier.»
    Nur wenige Stunden später liegen wir
    knutschend auf dem Bett ihrer Eltern. Den
    ganzen restlichen Tag und die Nacht lang. Wir
    sind
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