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Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer
Autoren: Amon Barth
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    mir bringt ununterbrochen neue Ideen hervor,
    knüpft aufregende Gedankenzusammenhänge
    und boostet mein Ego. Diese Seite veranlasst
    - 262 -

    mich dazu, mutig voranzuschreiten, paradox
    und bizarr zu agieren.
    Der Mond scheint auf das Fußballfeld vor dem
    Clubhaus. Für einen kurzen Moment bricht die
    normale Wahrnehmung durch, nicht
    verunreinigt durch den Wahn, nur ein schöner
    Anblick, der Mondschein auf grünem Gras. Ich
    muss weiter. Nach einiger Zeit verlasse ich die
    Gehwege und gelange wieder auf eine normale
    Straße. Noch immer verfolgt mich das Gefühl,
    mich in einer Art Lager, einer Kulisse oder
    Teststadt zu befinden.
    Ein Asiat, der auf der anderen Seite der
    Straße entlanggeht, erinnert mich an den
    Schlüsselmacher aus Matrix . Ich hoffe, dass er mich in die Zentrale zu den Verantwortlichen
    führt. Wir laufen parallel zueinander weiter. Er
    scheint Angst vor mir und meinem Didgeridoo
    zu haben, als könnte ich ihn damit überfallen
    und ausrauben. Nach einem flüchtigen Blick zu
    mir verschwindet er auf einmal in einem Haus
    und legt sich dort wahrscheinlich in die Arme
    seiner Frau. Ich bin enttäuscht, dass sich meine
    Illusion nicht manifestierte.
    Für mich sind all diese Häuser und Straßen
    nicht mehr Teil von Hamburg oder Deutschland,
    sondern eine geheimnisvolle, andere Welt. Ich
    gehe weiter und höre aus einem Haus laute
    hysterische Schreie einer Frau, scheinbar wird
    dort gerade aufs heftigste gestritten. Ganz
    sicher bin ich mir allerdings nicht, ob ich das
    - 263 -

    tatsächlich gehört habe oder ob der Schrei, so
    wie der Geruch in der S-Bahn, nur meiner
    Einbildung entsprungen ist.
    Nach einer Weile liegt der Deich vor mir, und
    helles Licht strahlt hinter ihm hervor. Ein
    Metallgitter führt den Hügel hinauf. Ich
    klammere mich an ihm fest und gehe den Deich
    hoch. Für einen kurzen Moment fühle ich mich
    unglaublich glücklich, wie beim Erreichen eines
    Zieles. Wo bin ich? Vor mir sehe ich einen
    Nebenarm der Elbe und einen Bootssteg, an
    dem das Schild «BETRETEN VERBOTEN!»
    hängt. Ich gehe nach links, immer entlang der
    Straße. Das muss eine Art Checkpoint sein. Ich
    passiere die Stelle und betrete ein weiteres, in
    meinen Augen noch geheimnisvolleres Gebiet.
    Dies ist der Zeitpunkt der Reise, an dem der
    Trip, auf dem ich bin, meine Wahrnehmung am
    massivsten zerschießt. Ich stürze wie Alice im
    Wunderland in den Kaninchenbau. Plötzlich ist
    alles wie im Traum. Das Gras rechts neben der
    Straße sehe ich als hochkomplexes Lebewesen
    an, das mich mit Spinnweben zu umschlingen
    droht, sollte ich auch nur ein wenig von
    meinem Weg abkommen. Es erinnert mich an
    die grünen Wesen mit den Tentakeln, doch
    diesmal sehe ich sie nicht derart plastisch vor
    mir, sondern spüre nur die Angst vor ihrer
    Existenz, an die ich fest glaube. Irgendwo
    sitzen sie dort im Gras und belauern mich.
    - 264 -

    Vor mir ragt ein riesiges Bauwerk empor,
    das, von außen durch hohe Elektrozäune
    geschützt, übermächtig groß wirkt, ein
    schwarzer Klotz, der weißen Rauch in den
    Himmel pumpt. Wieder versucht mein Gehirn
    krampfhaft, dem Gebäude eine möglichst
    phantastische Bedeutung zu geben. In meinen
    Gedanken wird es zum Zentrum der Macht. Ich
    spüre, dass sich in ihm so etwas wie das Herz
    einer künstlichen, die Welt kontrollierenden
    Intelligenz befinden könnte.
    Als sich ein bedrohliches Geräusch von hinten
    nähert, drehe ich mich ruckartig um. Ein
    überproportional großer Lastwagen rauscht an
    meinem zugedröhnten Gehirn vorbei. Er fährt
    auf das Schloss des unsichtbaren Fürsten zu.
    Wahrscheinlich ist der Fahrer nur ein Android.
    Ich bitte telepathisch um eine Audienz bei der
    mir unbekannten Macht, von der ich nicht weiß,
    wer oder was sie ist. Über eine 1933 gebaute
    kleine Brücke gelange ich zum Schloss. Ich
    muss in die Höhle des Löwen, um die Wahrheit
    zu erfahren.
    Obwohl ich damit rechne, dass das Tor durch
    Selbstschuss- oder Laseranlagen gesichert ist,
    traue ich mich, die Lichtschranke zu
    durchschreiten und dadurch das Tor zu öffnen.
    Links neben mir sehe ich Teslaspulen,
    Isolatoren, blitzende Metallzangen und
    leuchtende Kräne hinter Maschendrahtzaun, die
    ich als Stromabnehmer genauso wie als
    - 265 -

    Waffenkommunikationsmittel interpretiere.
    Nachdem ich das Tor passiert habe, kehrt für
    einen kurzen Moment mein Verstand zurück,
    und mir wird klar, dass ich hier nichts verloren
    habe.
    Also drehe ich mich um und gehe
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