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Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
Autoren: Klaus Wanninger
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auch so gewesen sein«, lenkte Enssle ein. »So genau kann ich mich nicht daran erinnern.«
    Braig schüttelte den Kopf. »Aber Sie wissen doch noch, wie Sie auf den Toten stießen. Haben Sie ihn sofort gesehen, als Sie die Toilette betraten oder mussten Sie die Kabine erst öffnen?«
    Sein Gegenüber schaute ihn fragend an, zögerte mit der Antwort. »Also, den Toten. Nein, ich ging zur Kabine, öffnete die Tür und da lag er plötzlich. Ich begriff zuerst überhaupt nicht richtig …« Er hielt inne, schaute an Braig vorbei zur Seite.
    »Sie öffneten die Tür«, wiederholte der Kommissar, »ja?«
    »Ja, das habe ich Ihnen doch erklärt«, meinte Enssle mit brüchiger Stimme. »Wieso wollen Sie das so genau wissen?«
    »Wie gesagt«, antwortete Braig. »Die Kabinen waren offen, als ich die Toilette betrat. Aber lassen wir das mal beiseite. Da gibt es noch einen zweiten Punkt: Wenn Sie nämlich glauben, dass zu dem Zeitpunkt, als Sie in den Raum kamen, die Türen geschlossen oder zumindest angelehnt waren, kann sich jemand in einer der Kabinen aufgehalten haben. Eine Person zum Beispiel, die von Ihnen nicht gesehen werden wollte.«
    »Sie meinen, der …« Enssle brach mitten im Satz ab, seine Vermutung für sich behaltend.
    »Möglicherweise der Täter, ja.«
    »Nein, da war niemand.«
    »Da war niemand? Und weshalb sind Sie sich da so sicher, wenn ich fragen darf?«
    Der Mann blickte ratlos zu ihm herüber. »Ich kann es nicht mehr genau sagen. Aber ich hatte den Eindruck, dass der Raum leer war. Außer dem Toten natürlich …« Er wusste nicht weiter, stockte, setzte dann hastig »… das hört man doch. Es war ruhig, absolut ruhig« hinzu.
    Braig betrachtete ihn schweigend, sah die bleiche Gesichtsfarbe Enssles. Der Mann wirkte immer noch sehr angegriffen, hatte den Schock noch längst nicht verwunden. Sitzt mitten in einem Vortrag über modernes Management, muss auf die Toilette, marschiert los und sieht sich plötzlich einem Toten gegenüber, überlegte er. Kein Wunder, dass er sich nicht mehr genau erinnert, ob die Türen offen oder geschlossen waren. Würde mir trotz aller beruflichen Routine wohl genauso ergehen. Er musterte dessen jedem direkten Blickkontakt ausweichenden Augen, merkte, dass der Mann krampfhaft zur Seite starrte. Irgendetwas an Enssle gefiel ihm nicht.
    Und dann gab es noch einen Punkt, den er unbedingt klären wollte.
    »Eine Sache interessiert mich noch genauer: Wo waren Sie, als Sie den Wunsch verspürten, auf die Toilette zu gehen?«, fragte er deshalb.
    »Wo ich war?«
    »Na ja, ich denke, bei der Eröffnungsveranstaltung des Kongresses, oder?«
    Dr. Enssle schaute kurz zu ihm auf, nickte dann mit dem Kopf. »Ach, so meinen Sie das. Bei der Eröffnungsveranstaltung, ja.«
    »Im Hegelsaal also«, erklärte Braig, fuhr dann, als er das zustimmende Kopfnicken des Mannes bemerkte, mit seiner Überlegung fort. »Der Hegelsaal liegt im Untergeschoss bzw. der Ebene eins des Kongresszentrums. Benutzerfreundlich wie das Haus hier konstruiert ist, befinden sich Toiletten auf derselben Ebene, nicht weit vom Zugang zum Hegelsaal. Wenn ich also kurz austreten will, während der Kongress läuft, geht das recht schnell. Niemand muss Angst haben, viel zu versäumen, nur weil er mal muss.«
    Dr. Enssle starrte wieder neben Braig an die Wand, verfolgte seine Worte mit leerem Blick.
    »Was mich jetzt aber wundert«, erklärte der Kommissar, »Sie haben nicht die Toiletten in Ebene eins aufgesucht, auch nicht die in Ebene zwei, nicht mal die in Ebene drei. Nein, Sie liefen die Treppen hoch oder fuhren per Aufzug ins oberste Stockwerk, die Ebene vier, obwohl weder in Ebene drei noch in Ebene vier irgendwelche Veranstaltungen des Kongresses stattfinden. Ist das nicht etwas, na, sagen wir mal, merkwürdig?«
    Der Mann schien auf die Frage gewartet zu haben, schüttelte sofort, Braig hatte noch nicht zu Ende gesprochen, seinen Kopf. »Das ist überhaupt nicht merkwürdig. Die Toiletten in Ebene eins sind immer sehr gut besucht, da kommen und gehen ständig Leute. Ich bin oft bei Kongressen hier im Haus, ich weiß, wovon ich rede. Und, verzeihen Sie, dass ich in der Beziehung etwas anspruchsvoll bin, aber auf eine Toilette zu gehen, in der links und rechts von ihnen … Na ja, Sie verstehen, was ich meine, oder? Das ist nichts für mich. Halten Sie mich für verwöhnt oder anspruchsvoll – oben in Ebene vier ist immer wenig Betrieb, deshalb benutze ich immer diese Toilette. Was soll daran merkwürdig
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