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Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
Autoren: Klaus Wanninger
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Er trägt einen, wie mir scheint, teuren silbergrauen Anzug, Größe 94, ein weißes Hemd mit schwarzen Längsstreifen. Die Krawatte ist dunkelblau oder anthrazit, das kann ich bei diesem Licht hier nicht genauer definieren, seine Schuhe, Größe 43, sind schwarz und in Vollleder gearbeitet. An beiden Schläfen finden sich blutverkrustete Wunden als Folgen von Schlägen oder einem Aufprall auf einen harten Gegenstand. Links befindet sich die größere, wohl schwerwiegendere Verletzung. Eintritt des Todes vor etwa einer Stunde, also gegen 9.30 Uhr. Mehr kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sagen.«
    Braig bedankte sich für die Ausführungen des Gerichtsmediziners.
    »Und? Welche Strategie ziehen Sie jetzt ins Kalkül?«, fragte Söderhofer.
    Braig musste nicht lange überlegen. »Ich werde mit dem Mann sprechen, der den Toten gefunden hat. Und dann mit den Veranstaltern des Kongresses. Vielleicht kennt dort jemand unser Opfer.«
    »Diese Idee scheint mir plausibel. Ich werde Sie begleiten. Anschließend werden wir uns einem gemeinsamen Brainstorming unterziehen. Als Team …« Er wies auf die Männer am Boden, wurde vom Läuten seines Handy überrascht. Der Staatsanwalt zog sein Mobiltelefon vor, gab Braig ein Zeichen, einen Moment zu warten, nahm das Gespräch an.
    Der Kommissar glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Dass Staatsanwälte die Arbeit der Polizei Schritt für Schritt begleiteten, war absolut unüblich, entsprach weder den Gewohnheiten noch den gesetzlich verordneten Vorschriften. Ihre Aufgabe war es, das Vorgehen der Ermittler auf juristische Legitimität zu überprüfen, eventuellen Gesetzesverstößen vorzubeugen oder diese mit sofortiger Wirkung zu unterbinden. Im Allgemeinen waren die Beamten der Staatsanwaltschaft dermaßen mit Arbeit eingedeckt, dass sie sich schon von der Zeit her nicht um jeden einzelnen Schritt der Polizeitätigkeit kümmern konnten.
    Söderhofers Absicht, ihn zu begleiten, mutete Braig deshalb seltsam an, auch wenn er keinerlei Handhabe hatte, es zu verhindern. Der die jeweilige Untersuchung begleitende Staatsanwalt galt juristisch als der Leitende Ermittler, dem sich jeder Kriminalbeamte zu fügen hatte.
    Natürlich lief das nicht immer reibungslos ab, kam es ab und an zu – teils heftigen – Auseinandersetzungen. Gesetze waren schließlich nicht immer so formuliert, dass ihre Überschreitung sofort offensichtlich wurde. Zudem erwies sich ihre Einhaltung in der Praxis oft weit schwieriger als dies in theoretischen Überlegungen zu erkennen war. Polizisten hatten es nun einmal oft nicht mit Leuten zu tun, die sich so schematisch und marionettenhaft vorhersehbar verhielten wie es auf den Papieren der Staatsanwälte verzeichnet war. Zwischen der Praxis des polizeilichen Alltags und der Theorie der staatsanwaltlichen Aktenordner klafften oft größere Lücken als zwischen den Gipfeln der höchsten Himalaja-Giganten. Wenn einer dieser Herren tatsächlich bereit war, seinen Schreibtisch zu verlassen und freiwillig in die Abgründe der praktischen Ermittlungsarbeit abzutauchen, musste man ihn da nicht mit offenen Händen aufnehmen?
    Braig wusste dennoch nicht, ob er über Söderhofers Ansinnen besondere Freude empfinden sollte. Er hörte die laute Stimme des Staatsanwalts, mit der dieser seinem Gesprächspartner antwortete, bemerkte, wie sich der Mann verstohlen nach allen Seiten umsah.
    »Jawohl, Herr Oberstaatsanwalt, genau, diese Effizienzoptimierung werden wir realisieren.«
    Braig verfolgte das untertänige Kopfnicken Söderhofers, mit dem der seine Aussage bekräftigte, sah, wie der Mann sein Gespräch beendete und das Mobiltelefon wieder wegsteckte, bemerkte dessen aufgeregte Miene.
    »Ich bedaure sehr, dass ich Ihnen meine Hilfe im Moment nicht länger zur Verfügung stellen kann.« Der Staatsanwalt unterbrach seine Ausführungen, starrte auf seinen Zigarettenstummel. »Nolens volens«, fuhr er dann fort, »werden Sie den Progress der Investigation vorerst selbst realisieren müssen.« Er streckte seinen linken Arm in die Höhe, warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. »Was die Evaluation dieser Sache hier betrifft: Punkt 12 Uhr erwarte ich Ihr detailliertes Briefing. Sie haben meine Nummer.« Er nickte dem Kommissar freundlich zu und verließ die Toilette.
    Braig atmete tief durch, fühlte sich spürbar erleichtert.
    »Ihr detailliertes Briefing. Punkt 12 Uhr«, hörte er Rössles den Staatsanwalt nachäffende Stimme, genau in dem Moment, als die
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