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Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
Autoren: Klaus Wanninger
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Linde im Blick.
    »Hier, in diesem Baum?«
    »Ich glaube, ja.« Dolde richtete sich auf, tippte auf das Holz. »Ich denke, das hier ist das Einschussloch. Gib mir fünfzehn Minuten, dann haben wir das Projektil.«
    »Dann ist es tatsächlich genau hier passiert.« Braig spürte selbst, wie dümmlich das klang.
    »Ich denke schon«, meinte der Kriminaltechniker, »alles deutet darauf hin.«
    Der Kommissar fand keine weiteren Fragen, musste diese Erkenntnis erst verarbeiten. »Hier am Rand der Lindenallee«, wiederholte er dann.
    »Und zwar aus kurzer Entfernung.«
    Eine Windböe war in die kahlen Äste über ihm gefahren, ließ sie mit heftigem Ächzen hin und her schwanken. Braig warf den Kopf zurück, schaute in die Höhe, konnte vom grellen Licht der Strahler geblendet, nur die Umrisse einzelner Zweige erkennen. Dr. Schäfflers Aussage nahm er erst in dem Moment mit vollem Bewusstsein wahr, als der Mann sich mehrfach räusperte. »Verzeihung?«
    »Der Mörder muss unmittelbar vor dem Mädchen gestanden sein.«
    »Weil er nur einen einzigen Schuss abgab.«
    »Er muss sich seiner Sache absolut sicher gewesen sein, ja. Außerdem handelt es sich um eine fast waagerechte Einschussbahn, soweit ich das nach dieser ersten Begutachtung sagen kann. Er stand nicht weit von ihr, quasi über ihr, hielt die Waffe genau vor ihr Herz.«
    »Der Mörder stand nicht weit von dem Mädchen entfernt?« Braig wusste, wie er die Aussage des Gerichtsmediziners einzuschätzen hatte. Dr. Schäffler war zwar noch nicht allzu lange im Amt, von Anfang an jedoch mit solcher Sachkenntnis und überzeugendem Urteilsvermögen aufgetreten, dass er sich binnen Kurzem bei allen beruflich Beteiligten den Ruf einer anerkannten fachlichen Kapazität erworben hatte, der seinem überaus geachteten Vorgänger Dr. Martin Keil in keiner Weise nachstand. Nicht ein einziges Mal hatte er bisher, jedenfalls soweit der Kommissar sich erinnerte, seinen vorläufigen Befund nach erfolgter Obduktion grundlegend widerrufen müssen, eine Tatsache, die in seinen Kreisen gar nicht hoch genug bewertet werden konnte. Es stand für ihn deshalb außer Frage, dass sie davon auszugehen hatten, dass der Mörder das Mädchen hier am Rand der Lindenallee aus nächster Nähe erschossen hatte. Und niemand, überhaupt gar niemand, hatte etwas von dem schrecklichen Geschehen mitbekommen?
    »Wo führt dieser Weg hin?«, erkundigte er sich. »Zur Comburg, oder?«
    Die Männer nickten zustimmend.
    »Nur zur Comburg, ja. Ich habe mich bei den Haller Kollegen erkundigt«, bestätigte Dolde. »Er ist nicht sonderlich frequentiert, vor allem jetzt im Winter nicht. Ab und an ein paar Zulieferer, Firmen, die die Gastronomie oben beliefern, Gäste, die an- oder abreisen oder hier als Tagesbesucher aufkreuzen. Die gesamte Anlage gehört dem Land und beherbergt eine Akademie für Lehrer samt Übernachtung und Bewirtung. Die Gäste sind alle gegen 16 Uhr abgereist, nur noch eine Handvoll Leute vom Personal waren heute bei Einbruch der Dunkelheit oben, wie mir der Haller Kollege berichtete. Niemand kann sich erinnern, einen Schuss gehört zu haben. Er hat eigens danach gefragt.«
    »Dann haben wir keinerlei Zeugen?«
    »Keine Ahnung. Wende dich an die Beamten der Schutzpolizei.«
    Braig nickte, starrte ins Dunkel der Umgebung, wo in einiger Entfernung die Lichter mehrerer im Tal unterhalb der Comburg gelegener Häuser zu erahnen waren. Ein Schuss, der hier auf diesem auf die Anhöhe führenden Weg abgefeuert wurde, musste weithin zu hören sein. Konnte man deshalb nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass ein paar der Anwohner verwundert nach der Ursache des ungewohnten Geräusches Ausschau gehalten hatten?
    »Wer ist das Mädchen? Kennen wir ihren Namen?«
    »Bis jetzt nicht. Sie hat keine Papiere bei sich. Wir müssen versuchen, sie über ihr Handy zu identifizieren. Das haben wir sichergestellt.«
    »Wann ist es passiert?«, erkundigte er sich. »Habt ihr das schon herausgefunden?«
    »Der Anruf des Mannes, der sie gefunden hat, wurde um 17.40 Uhr registriert«, antwortete Dr. Schäffler. »Ich habe mich danach erkundigt, als ich den Todeszeitpunkt einzugrenzen versuchte. Haben Sie schon mit ihm gesprochen?«
    »Nein, das muss ich noch tun.«
    »Zehn, fünfzehn Minuten vorher muss es passiert sein, auf keinen Fall früher.«
    »Gegen 17.30 Uhr also.« Braig nahm die Auskunft des Mediziners zur Kenntnis, versuchte, deren Konsequenzen zu eruieren. Wann war die Dämmerung heute
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