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Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
Autoren: Klaus Wanninger
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persönlich auf dem Spiel stünde. Gleichgültig, ob es sich bei der Sache hier um einen Anschlag oder nur einen Unfall handelte, sie musste detailliert aufgeklärt, der Täter ermittelt werden, mit voller Priorität. Wochenende, Privatleben, freie Minuten ade. Einer aus der Clique der Mächtigen war bedroht worden, da hatte alles andere hinten anzustehen. Die Erfolgreichen aus Wirtschaft und Politik hielten zusammen wie Pech und Schwefel, besonders in der Stunde der Not, das wusste sie aus Erfahrung. Da musste der gesamte Apparat der Aufklärung und Ermittlung, obwohl für alle Bürger dieser dem Papier nach demokratischen Gesellschaft in jahrzehntelanger Arbeit aufgebaut und mit irrsinnigem finanziellen Aufwand mehr und mehr verfeinert und auf noch mehr Effizienz getrimmt, voll und ganz den Angehörigen dieser besonderen Kaste zur Verfügung stehen. Ihnen und sonst niemandem. Es gab nun einmal zwei Kategorien von Menschen in diesem Ländle: Die Strippenzieher in Wirtschaft und Politik und das breite Fußvolk, eigens dafür ausersehen, sich als Marionetten in deren Dienst abzumühen und deren Brotkrumen zu fressen. So war es nun einmal. Deshalb also das volle Programm auffahren und keine Sekunde zögern. Die Existenz des Herrgotts war in Gefahr. Alles andere nur noch Nebensache.
    Sie seufzte laut, überquerte die Straße, fragte einen der uniformierten Beamten nach den Zeugen des Vorfalls.
    »Die warten dort in der Buchhandlung.« Er zeigte auf die hell erleuchteten Schaufenster, vor denen sich die Menschen auf die Unfallstelle gaffend drängten. »Moment, ich begleite Sie.« Der Mann eilte zu einem seiner Kollegen, zeigte auf die Kommissarin, wechselte ein paar Worte mit ihm. »Denen war es hier draußen zu kalt, verstehen Sie«, erklärte er dann, als er Neundorf wieder erreicht hatte. Er hob das rotweiße Plastikband hoch, schlüpfte durch, ließ sie ebenfalls passieren. Sie schoben sich durch die Menge der Neugierigen, ließen die Kommentare ohne Reaktion über sich ergehen.
    »Wieso hauet die jetzt ab?«
    »Wie viele hat’s erwischt?«
    »Isch wirklich oiner verreckt?«
    Sie traten aus der hell erleuchteten Szene, tauchten in die Schatten der Umgebung ab. Neundorf hatte Mühe, ihre Augen dem mangelnden Licht anzupassen, stolperte über einen Fuß, fing sich erst zwei Schritte weiter wieder. Die Luft hatte sich spürbar abgekühlt, die viel zu hohen Mittagstemperaturen waren dabei, von januargemäßen Nachtwerten abgelöst zu werden. Sie hüllte sich in ihren Schal, zog den Reißverschluss ihrer Jacke hoch. Das Frösteln in ihrem Nacken ließ augenblicklich nach.
    Der uniformierte Beamte drückte laut schimpfend mehrere Männer und Frauen zur Seite, wies der Kommissarin den Weg zur Tür. Sie bedankte sich für seine Hilfe, las die Aufschrift Buchhandlung Kreutzmann, trat ins Innere. Ein großer, heller Raum empfing sie, mit Bücherregalen an der Wand und in der Mitte und breiten Schaufensterfronten zu beiden Straßen hin. Der Boden war mit einem dicken, grauen Teppich ausgelegt, die Luft von einem feinen Aroma aus Holzpolitur und dezentem Parfüm erfüllt. Sie hörte gedämpfte Stimmen, sah mehrere Frauen und Männer links um eine uniformierte Polizeibeamtin sitzen, von Büchern umgeben. Bildbände, Lexika, Kinder- und Taschenbücher, wohin sie auch schaute. Sie fühlte sich vom ersten Moment an wohl in dieser Umgebung, wünschte sich Zeit und Muße, in dem Raum zu verweilen, zu stöbern, in den Büchern zu blättern, sich je nach Lust und Laune in einige zu vertiefen. Das große Lexikon der Psychologie, mein Gott, wie gerne würde ich mich darauf einlassen. Aber wann nur, wann?, überlegte sie.
    Ein freundlicher junger Mann trat auf sie zu, fragte nach ihrem Wunsch. Sie wunderte sich über seine sanfte Stimme, wies sich aus.
    »Neundorf vom Landeskriminalamt, ich untersuche den Vorfall hier draußen«, sie wies auf das grelle Licht, das links hinter den Schaufenstern zu erkennen war, »die Zeugen sollen sich hier im Laden aufhalten.«
    »Bernhard Kreutzmann. Ich bin der Inhaber des Ladens. Sie sitzen hier, ja«, erklärte er. »Wir haben es Ihren Kollegen angeboten. Auf der Straße ist es zu kalt.«
    Sie bedankte sich für die Auskunft, lief zu der um die Polizeibeamtin versammelten Gruppe. Zwei jüngere Frauen, ein älterer und ein junger Mann. »Ein großer BMW«, erklärte der jüngere der beiden Männer gerade.
    Die Kommissarin räusperte sich, trat näher, stellte sich vor. »Neundorf vom LKA. Ich glaube,
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