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Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
Autoren: Klaus Wanninger
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alles Gold dieser Welt. Aber dann kamen diese Lisa und diese Caroline. Und Meisner hatte nur noch sie im Kopf. Lisa hier, Caroline da. Allen Abmachungen zum Trotz. Dabei hat er es mir versprochen. Hoch und heilig.« Sie musste innehalten, zitterte am ganzen Körper. Angst und Verzweiflung sprachen aus jeder Pore ihres Körpers.
    »Wissen Sie, wie sehr ich mich bemüht habe, die Nummer eins zu werden?« Sie hauchte die Worte nur vor sich hin, schien alle Kraft verloren zu haben. »Alles, alles habe ich dafür getan. Seit ich als kleines Kind die ersten Sendungen von Miss-Wahlen und Modelwettbewerben sah, habe ich davon geträumt. Geträumt und gehofft und alles dafür getan. Oben zu stehen als Nummer eins.«
    Braig nahm die Hand aus seiner Jacke, erhob sich von dem Stuhl, lehnte sich an einen der Schränke, Christina Schaufler im Blick.
    »Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet, alles für seinen Körper zu tun? Gymnastik am Morgen, am Mittag und am Abend, Yoga, autogenes Training und immer genügend Schlaf. Ausgewogene Ernährung, ständig am unter­sten Level dessen, was sie benötigen, Hunger als Dauerzustand und Verzicht auf alles, was das Leben schön macht, mehrmals am Tag auf die Waage, kein Milligramm zu viel. Eine Bewerbung nach der anderen vor den größten Idioten, dem widerlichsten Abschaum, dem größten Dreck, den diese Erde je hervorgebracht hat, alten, kaputten vor Geilheit nach jungem Fleisch sabbernden Böcken, die nur danach lechzen, dich schon mit ihren Blicken auszuziehen, dir die letzten Fetzen vom Leib zu reißen, sobald die Kameras ausgeschaltet sind. Hohn und Spott über jedes Milligramm zu viel, anzügliche Bemerkungen, zweideutige Anspielungen – und das alles vor Hunderten oder Tausenden von Leuten, in Shows, Fernsehaufzeichnungen, öffentlichen Veranstaltungen. Es gibt nur einen Weg nach oben: Alles hinnehmen, alles ertragen, alles erdulden. Ruhig sein, die Augen schließen, immer nur das Opfer spielen. Vor dem Publikum, vor der Presse, vor deinen Agenten. Riederich und Meisner, zwei besondere Exemplare dieser Gattung. Wir bringen dich hoch, Mädchen, haben sie mir hunderttausend Mal versprochen, ganz hoch, auf den ersten Platz. Du mit deinen blauen Augen, mein Gott, diese blauen Augen, so ein Blau hat die Welt noch nie gesehen, ein himmlisches paradiesisches Blau, du machst es, kein anderes Wesen kommt dir gleich. Du schaffst es, du mit deinem Talent und deinem unglaublichen Fleiß, bald bist du die Number One. Und zugleich sah ich die Gier in ihren Augen und verstand genau, was mit meinen blauen Augen gemeint war: Arsch und Titten, und lass dich flachlegen, Mädchen, und schon bist du oben.
    Ich habe alles mitgemacht, alles erduldet, die Augen geschlossen, war zu allem bereit und dann, vor einem halben Jahr, war es soweit. Sie hatten mich tatsächlich nominiert beim Casting-Wettbewerb als Supermodell und Angel No. One.« Sie stockte, warf einen Blick an Braig vorbei ins Weite, mit offenen Augen träumend, der Wirklichkeit entrückt.
    Sah sie sich auf der Bühne, umjubelt von Menschenmassen, bewundert von einer riesigen Menge Frauen und Männer?
    »Also«, sagte Braig, »dann haben Sie es doch geschafft.« Er merkte, wie sie zusammenzuckte, sich von seiner Stimme brutal in die Realität zurückgeholt fühlte.
    »Sie haben doch keine Ahnung, wie das läuft«, zischte sie und warf ihm einen Blick zu, der ihren Augen ein kaltes, eisiges Blau verlieh und ihm alle Verachtung dieser Welt übermittelte. »Was sind schon Worte, Versprechen, Abmachungen? Lisa und Caroline, diese wunderbaren Engel, wissen Sie, wie die sich an Meisner ranschmissen und die Beine breit machten, nur um dort oben zu stehen? Dagegen hatte ich keine Chance. Süße, du hast traumhaft schöne Augen und einen ebenmäßigen Körper wie ein Engel direkt aus dem Paradies, versicherte mir der Kerl unmittelbar vor der Entscheidung, aber Lisa und Caroline … Zwei Bomben im Bett, begriff ich sehr schnell …« Sie blies die Luft von sich, schaute zu ihm hin. »Ich hatte es satt, verstehen Sie, einfach satt. Mich jahrelang so behandeln lassen, alles hinnehmen, alles ertragen, immer nur Ja und Amen …« Christina Schaufler schüttelte den Kopf. Sie zog ein Papiertaschentuch aus einer Packung, wischte sich die Augen sauber, blickte zu ihm hoch. »Deshalb«, sagte sie mit Nachdruck, »genau deshalb.«
    Was ist das für eine Gesellschaft, arbeitete es in Braig, die ihren jungen Heranwachsenden keine anderen Ideale zu
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