Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
erträglich.
    Braig knöpfte seine Jacke zu, schritt kräftig aus. Er musste keine Sekunde überlegen, fand den Weg wie im Schlaf. Eine Woche genau war es her, dass er das Haus in der Eugenstraße aufgesucht hatte. Wieder drückte er die Klingel, die im ersten Obergeschoss signalisierte, dass ein Besucher vor der Tür stand, wartete, bis ihm geöffnet wurde, stieg dann die Stufen hoch.
    Er öffnete den Verschluss seiner Jacke, schob sie leicht zurück. Heute war es eine junge Frau, die ihn mit freundlichem Lächeln begrüßte. Er nannte den Namen der gesuchten Person, musste nicht lange warten.
    Die blauen Augen. Mehr als blau. Azurblau. Himmelblau. Eine farbliche Intensität, die ihresgleichen suchte.
    »Oh, Herr Braig.« Sie hatte sich seinen Namen gemerkt, reichte ihm die Hand. »Gerade wollte ich gehen.«
    »Vorbereitungssitzung für die Klausur?«, fragte er.
    Christina Schaufler nickte mit dem Kopf. »In freundlicher Konversation allerdings.«
    Er wies ins Innere der Wohnung. »Wir müssen miteinander sprechen.«
    Sie zeigte sich einverstanden, führte ihn in ein Zimmer am Ende des Flurs, das mit einem großen Bett, zwei Schränken, einem Schreibtisch und zwei Stühlen ausgestattet war. Trotz des reichhaltig vorhandenen Mobiliars fühlte sich Braig auf Anhieb wohl. Viele farbige Tücher und Bilder über dem Fenster und an den Wänden, ein terrakottafarbener Teppich, zwei üppig grüne Pflanzen in großen Blumentöpfen.
    Er sah den Computer auf dem Schreibtisch, bat sie, ihn in Betrieb zu setzen. »Ich würde Ihnen gerne etwas zeigen.«
    Sie folgte seinem Wunsch, nahm auf einem der Stühle Platz, schob ihm den anderen hin. Der Monitor leuchtete auf, das Laufwerk setzte sich in Gang. Er reichte ihr die CD, sah ihr zu, wie sie sie einlegte.
    Das Bild war urplötzlich da. Der türkis-weiße Schienenbus, wie er sich näherte, sein von einem kaum merklichen Knallen übertöntes Brummen, der Ulmer Spatz, wie er die Position weit unterhalb der Kamera passierte, dann langsam auf der anderen Seite abtauchte. Braig wartete, bis die Kamera nach oben schwenkte, bat Christina Schaufler, auf Standbild zu gehen. Er zog die Lupe aus der Tasche, reichte sie ihr.
    »Hier, sehen Sie die Person? Schauen Sie sie bitte einmal näher an.«
    Er blickte in ihre Augen, dieses einzigartige unnachahm­liche Blau, sah im selben Moment, dass sie verstanden hatte. Langsam, nur unmerklich schob er die Rechte unter seine Jacke. Erspare es uns, arbeitete es in ihm, es ist vorbei.
    Sie konzentrierte sich auf die Lupe, nickte. »Ja«, sagte sie. Ihre Stimme klang unnatürlich belegt.
    »Wenn Sie den Film eine Sekunde lang weiterlaufen lassen, verstehen Sie, weshalb ich hier bin. Aber bitte, mir wäre es recht, wenn wir alles friedlich lösen könnten.«
    Sie starrte zu ihm her, sah die Umrisse seiner Waffe, an der seine Hand lag, betätigte die Tastatur.
    »Nehmen Sie wieder die Lupe, bitte.«
    Sie machte sich die Mühe, nickte erneut. »Wo haben Sie das her?«, fragte sie.
    Braig sah, dass sie am ganzen Körper zitterte. »Zufall«, antwortete er, »wirklich ein ganz banaler Zufall.«
    »Ja«, sagte sie, »dann ist wohl alles vorbei.« Sie legte die Lupe auf den Schreibtisch, vergrub das Gesicht in ihren Händen.
    »Warum?«, fragte er. »Warum?«
    Sie schnappte nach Luft, keuchte laut. »Wieso interessiert Sie das? Sie haben Ihr Ziel doch erreicht.«
    »Drei Menschen«, antwortete er. »Warum?«
    Sie war hübsch, selbst in dem jämmerlichen Zustand, den sie jetzt zunehmend bot, konnte er das erkennen. Das auffallend schmale Gesicht mit dem asketischen Zug, die langen blonden Haare, die schlanke, ebenmäßige Figur. Und kein Quäntchen zu viel Schminke, wenn überhaupt.
    »Warum?«, wiederholte er. »Sie, so eine bildhübsche junge Frau. Das Leben liegt Ihnen zu Füßen.«
    Sie schluchzte leise, fand nur langsam zu der Konzentration, auf seine Frage eingehen zu können.
    »Warum?«, wiederholte sie ihn dann. Sie hob ihr Gesicht, Tränen liefen ihr über die Wangen.
    Er nickte, ohne ein Wort zu sagen.
    »Ich wollte doch nur die Nummer eins sein. Oben stehen. An erster Stelle. Davon habe ich geträumt. Mein Leben lang.«
    »An erster Stelle? Aber Sie sind doch beinahe so weit.«
    Sie blickte mit ihren blauen, tränenverschleierten Augen zu ihm her, schüttelte den Kopf. »Beinahe«, rief sie, »beinahe. Das ist es doch. Beinahe. Und ohne jede Chance, es ganz zu packen. Dabei hat Meisner mir es hoch und heilig versprochen. Hoch und heilig. Für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher