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Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
Autoren: Klaus Wanninger
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angebrochen?
    Dolde schien seine Gedanken zu ahnen. »Um die Zeit war es schon dunkel«, erklärte der Spurensicherer. »Wir hatten zwar schönes Wetter heute. Aber die Dämmerung machte sich so gegen 17 Uhr deutlich …« Die schrillen Rhythmen eines Rocksongs ließen ihn verstummen. Erstaunt blickte er von einem der Männer zum anderen, danach Ausschau haltend, wer für das Gedudel verantwortlich war.
    »Dem Mädle sei Handy«, erklärte Rössle, auf einen Klarsichtbeutel unweit der Toten deutend, »nehmet ihr des Gespräch a?«
    Braig hatte die schrillen Töne erneut im Ohr, bückte sich nach dem Gerät, zog es aus der Umhüllung, drückte die Taste.
    »Lisa, wo bist du so lange?«, fragte eine ältere weibliche Stimme.
    Braig warf einen Blick aufs Display, sah eine lange Ziffernfolge mit der Bemerkung Eltern aufleuchten, überlegte sich eine Antwort. »Sie wollen Lisa sprechen?«
    »Ja, natürlich, wieso … Ich habe mich doch nicht verwählt?«
    »Nein, Sie haben sich nicht verwählt. Sind Sie Lisas Mutter?«
    Die Frau am anderen Ende schien verwirrt. »Ja, wo ist denn, … ich meine, ich will mit Lisa …«
    »Mein Name ist Braig …«
    »Wieso ist Lisa nicht am Apparat? Sind Sie dieser Meisner? Lisa hat sich mit Ihnen getroffen, ja? Warum ist sie nicht da?«
    »Frau …? Wie war doch gleich Ihr Name?«
    »Haag. Ich bin Lisas Mutter. Was ist mit ihr?«
    »Darf ich wissen, wo Sie wohnen, Frau Haag?«
    »Wo wir wohnen? Aber wieso denn, Lisa war doch den ganzen Tag hier, es ist ihr Elternhaus. Sie weiß doch, wo wir wohnen. Warum geben Sie mir sie nicht endlich? Was ist denn mit ihr?«
    Braig schwieg einen Moment, holte tief Atem. »Frau Haag, ich muss persönlich mit Ihnen sprechen. Sagen Sie mir doch, wo Sie wohnen. Ich komme bei Ihnen vorbei.«
    »Unsere Adresse? Wir wohnen in Hall, in der Unterlimpurger Straße. Aber was ist denn los? Wo ist Lisa? Sie hat sich doch mit Ihnen getroffen, ja?«
    »In Hall in der Unterlimpurger Straße«, bestätigte Braig. »Frau Haag, ich bin in fünfzehn Minuten bei Ihnen. Dann erkläre ich alles, einverstanden?«
    Die Antwort der Frau erstickte in ratlosem Gemurmel.
    »In fünfzehn Minuten«, wiederholte er seinen Vorschlag, »… bis gleich, Frau Haag.« Er beendete das Gespräch, legte das Mobiltelefon zurück in den Klarsichtbeutel. »Lisa Haag«, sagte er dann laut, »sie wollte sich mit einem Meisner treffen, wenn ich die Frau richtig verstanden habe. Ich fahre jetzt zu der Mutter. Kümmert ihr euch um das Handy und die Gespräche, die in letzter Zeit damit geführt wurden?«
    Dolde nickte, zurrte seinen Plastikhandschuh zurecht. »Du willst dir das wirklich antun?«, fragte er. »Ich meine, allein zu der Mutter des Mädchens?«
    Braig atmete tief durch, seufzte vernehmlich. »Verflucht sei der Tag, als ich diesen Beruf gewählt, wie?«
    »Bessere Alternativen standen nicht zur Verfügung?«
    »Warst du dir aller Konsequenzen bewusst, als du dich dafür entschieden hast?«
    »Nein«, antwortete Dolde, die Augen auf den toten Engel am Rand des Weges gerichtet, »dessen war ich mir nicht bewusst.«

4. Kapitel
    Eigentlich hatte sie sich das Ganze weitaus schlimmer vorgestellt. Kreuz und quer über die Fahrbahn und den Gehweg verstreute Kleidungsstücke und Schuhe, Berge von Glassplittern zerfetzter Fensterscheiben, vom Wind in sämtliche Himmelsrichtungen verwehte Aktenbelege, menschliche Körperteile in allen Variationen: hier ein Arm oder ein Bein, dort eine Hand oder ein abgerissener Finger. Attentat auf einen wichtigen Industriellen mitten im Ort – ein Blutbad in seiner widerlichsten Ausprägung.
    Umso überraschter nahm Katrin Neundorf die Szenerie zur Kenntnis, die sich ihr an diesem Freitagabend im oberen Bereich des Backnanger Zentrums präsentierte: Ein hell ausgeleuchtetes, sorgfältig auf allen Seiten mit Plastikbändern abgesperrtes Stück der am Rand des gleichnamigen kleinen Parks steil ansteigenden, in diesem Abschnitt Am Schillerplatz benannten Straße, die unmittelbar danach in eine fast rechtwinklig verlaufende Kreuzung mündete. Sie näherte sich dem auffälligen Areal, sah neben den Markierungen des dort angebrachten Zebrastreifens zwei mitten auf der Fahrbahn kniende, minutiös Zentimeter um Zentimeter Asphalt fotografierende Spurensicherer, umgeben von einer Handvoll uniformierter Polizeibeamter, die eifrig darum bemüht waren, keine der vor Wissbegier triefenden, an den Absperrungen rüttelnden Gestalten in das abgeschottete Gebiet vordringen zu
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