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Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Titel: Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
Autoren: Allen Zadoff
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vor und reicht mir eine Dose Cola.
    Im selben Moment ramme ich ihm die Kulispitze in den Unterarm. Der winzige Zylinder entleert sich und sofort setzt die Wirkung des Gifts ein.
    Jacks Vater sieht mich mit großen Augen an. Sein Mund zieht sich zusammen und formt ein W.
    Vielleicht will er
warum
fragen.
    Vielleicht aber auch
was
.
Was machst du da?
    Aber das Gift wirkt schnell. Wie schnell, das hängt vom Alter und der Konstitution des Opfers ab. Und da hat Jacks Vater schlechte Karten. Er ist nicht gerade der Fitteste.
    Also wirkt es fast sofort. Schneller, als man
warum
oder
was
sagen kann.
    Jacks Vater schwankt, ich fange ihn auf und lege ihn neben dem Küchentisch auf den Boden. Ich lasse ihn nicht fallen, weil ich nicht will, dass Jack von dem Lärm aufgeschreckt wird und in die Küche stürmt. Ich will nicht, dass irgendjemand hereinkommt. Zumindest noch nicht.
    Ich brauche 15   Sekunden.
    Sechs Sekunden, um seinen Körper so hinzulegen, dass es aussieht, als wäre er gefallen. Mit dem Ellbogen stoße ich die Bierdose um. Der Schaum tritt zischend aus.
    Fünf Sekunden, um den Kugelschreiber und den Notizblock wegzustecken, den Reißverschluss des Rucksacks zuzuziehen, der an der Stuhllehne hängt.
    Vier weitere Sekunden, bis die chemische Reaktion in Mr   Wus Körper so weit fortgeschritten ist, dass jeder Wiederbelebungsversuch sinnlos ist.
    Fünfzehn Sekunden.
    Das war’s.
    Ich betrachte die Leiche. Der Mann, der John Wu war, ist tot.
    Ein Ehemann ist tot.
    Ein Vater ist tot.
    Jack hat gesagt, dass er mir vertraut.
    Das war ein Fehler
, denke ich.
    Inzwischen sind zwanzig Sekunden vergangen. Gleich schließt sich das Zeitfenster.
    »Hilfe!«, rufe ich.
    Ich reiße die Küchentür auf und schreie: »Hilfe! Ein Arzt!«
    Jack kommt die Treppe heruntergestürzt. Beim Anblick seines Vaters wird er ganz weiß im Gesicht. Ein Laut entfährt ihm, irgendwas zwischen einem Stöhnen und einem Schrei.
    Die Sicherheitsleute kommen angerannt. Ein Blick auf Mr   Wu genügt und sie wissen Bescheid.
    Danach ist alles Routine.
    Ich trete beiseite und schaue zu.
    Wiederbelebungsversuche, Sanitäter, das ganze Programm.
    Ich versuche, mich zwischen den Helfern hindurchzuzwängen, um nah am Geschehen zu sein und Jack beizustehen. Das wird schließlich von einem Freund erwartet. Aber der Schrank hält mich zurück.
    Er legt mir sanft den Arm um die Schultern, als wäre er mein Vater. Am liebsten würde ich ihn abschütteln, aber das verkneife ich mir.
    »Vielleicht solltest du jetzt besser gehen«, sagt er.
    »Aber was ist mit Jack?«
    »Das ist eine Familienangelegenheit.«
    Ich lasse die Schultern sinken.
    »Mein Rucksack«, sage ich.
    Er drängt sich an den Sanitätern vorbei, nimmt meinen Rucksack von der Stuhllehne und reicht ihn mir, dann begleitet er mich zur Haustür.
    Ich werfe einen Blick zurück. Das Letzte, was ich sehe, ist Jack, der zusammengekrümmt auf dem Sofa sitzt, sein Kopf berührt fast die Knie.
    Ein Bild des Jammers.
    Und das alles meinetwegen.

Ich gehe an dem Krankenwagen mit blinkendem Blaulicht vorbei.
    Dann an den Autos vom Sicherheitsdienst und an den Polizisten, die in ihre Funkgeräte bellen.
    »Soll ich dir ein Taxi rufen?«, fragt mich der Wachmann am Tor.
    »Danke, ich komm schon klar.«
    »Schlimme Sache.«
    »Ja, schrecklich.«
    »Auch noch während meiner Schicht«, sagt er kopfschüttelnd. »Aber die können mich doch nicht dafür verantwortlich machen, oder? Ich bin schließlich nicht der liebe Gott. Ich entscheide nicht über Leben und Tod.«
    Falsch. Man muss nicht Gott sein, um über Leben oder Tod zu entscheiden. Man muss nur bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.
    »Pass auf dich auf«, sagt er.
    »Mach ich.«
    Er öffnet mir das Tor und schon bin ich draußen.
    Ich laufe betont langsam die Straße hinunter, wie jemand, der unter Schock steht. Dabei sehe ich glasklar. Ich denke über meine nächsten Schritte nach. Gehe in Gedanken noch einmal den Plan für meinen Abgang vom Tatort durch.
    Und vielleicht denke ich auch einen Moment lang an Jack.
    Für vier Wochen war er mein bester Freund. Jetzt nicht mehr.
    Er wäre bestimmt nicht begeistert, wenn er wüsste, dass ich seinen Vater getötet habe. Aber das wird er nie erfahren. Das Gift hinterlässt keine Spuren. Jacks Vater hatte einen Herzinfarkt. Das wird eine mögliche Autopsie bestätigen. Die Familie wird ihre Beziehungen spielen lassen. Ein paar Telefonate führen oder ein paar Computertasten drücken, und fertig.
    Im Falle
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