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Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Titel: Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
Autoren: Allen Zadoff
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einer Autopsie wird man nichts finden.
    Natürliche Todesursache
wird es im Untersuchungsbericht heißen.
    Das ist meine Spezialität. In meinem Beisein sterben Menschen, aber niemand verdächtigt mich. Es scheint sich immer um einen unglücklichen Zufall zu handeln. Ein Junge oder ein Mädchen lernt mich in der Schule kennen; wir verstehen uns auf Anhieb, freunden uns an. Kurz darauf wird die Familie von einem tragischen Ereignis heimgesucht.
    Es scheint keinen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen zu geben, aber der Schein trügt.
    Jack hatte von alldem keine Ahnung, als wir uns vor einem Monat kennenlernten. Ich tauchte plötzlich in seinem Leben auf und jetzt verlasse ich es ebenso plötzlich wieder.
    Ich habe einem anderen Menschen das Herz gebrochen, sein Leben von Grund auf verändert. Zum Glück fühle ich nichts dabei.
    Ich fühle überhaupt nichts.
    Falsch.
    Mir ist kalt. Ich habe Hunger. Ich spüre den Stoff meines neuen Hemds auf der Haut und den Kies unter meinen Füßen.
    Aber das sind Empfindungen, keine Gefühle.
    Früher einmal hatte ich auch Gefühle. Zumindest glaube ich das. Aber das ist schon lange her.
    Das war
vorher
.

Er hieß Mike.
    Und er war mein bester Freund.
    Zumindest dachte ich das.
    Er war neu an der Schule, aber es kam einem nicht so vor. Es schien, als wäre er schon immer da gewesen.
    »Für was interessierst du dich denn so?«, fragte er mich bei unserer ersten Begegnung.
    »Ich lese gern.«
    Damals war ich zwölf und besaß so viele Bücher, dass mein Dad mir ein zweites Bücherregal bauen musste.
    »Liest du diesen Vampirkram?«, fragte er.
    »Nein, Action, Abenteuerromane. Science-Fiction, aber nur gute.«
    »Cool«, sagte er. »Interessiert mich auch.«
    Es schien ganz natürlich, dass wir Freunde wurden. Wir verstanden uns auf Anhieb, als würden wir uns schon ewig kennen.
Brüder im Geiste
, wie es so schön heißt.
    Nach einer Woche waren wir unzertrennlich. Nach zwei Wochen übernachtete er regelmäßig bei uns.
    Wir blieben lange auf, setzten uns einfach über die Verbote meiner Eltern hinweg, redeten über Gott und die Welt, tauschten Bücher aus, unterhielten uns über Mädchen.
    In diesem Jahr wurde mir bewusst, dass Mädchen BHs trugenund man beim richtigen Lichteinfall durch ihre Blusen sehen konnte. Mike erklärte mir, dass man an einem sonnigen Tag nur dafür sorgen musste, dass das Mädchen zwischen einem selbst und dem Fenster stand. Für mich war er ein Genie.
    Mike und ich. Zwei zwölfjährige Jungs, die herumalberten, quatschen, glücklich waren, einen Gleichgesinnten gefunden zu haben.
    Im Nachhinein frage ich mich, warum es mir nicht seltsam vorkam, dass ich nie bei ihm zu Hause war, nie seine Eltern kennenlernte. Er erzählte mir, dass sein Dad als Firmenanwalt oft geschäftlich unterwegs wäre. Mein Dad war Uni-Professor, der manchmal zu Konferenzen reiste. Also wusste ich, wovon er redete.
    Seiner Mutter würde schnell alles zu viel, sagte er. Kinder nervten sie.
    Meine Mutter war auch oft genervt. Aber nicht wegen irgendwelcher Gäste ihres Sohnes, sondern wegen meinem Vater. Damals schien es, als würden sie schon seit Monaten streiten. Ich hatte keine Ahnung, worum es ging, aber es war ein Konflikt, der immer wieder hochkochte und die Atmosphäre vergiftete, selbst wenn sie kein Wort miteinander wechselten.
    Die ganze Familie war wie gelähmt.
    Ich erzählte Mike davon.
    Er war mein Freund. Es tat mir gut, ihm davon zu erzählen, ihm etwas anzuvertrauen.
    Ich wusste nicht, dass er meine Eltern umbringen würde.

Es passiert manchmal, wenn ich einen Auftrag erledigt habe.
    Dann kommen Erinnerungen hoch. Ich weiß nicht, warum.
    Sie verschwinden wieder, wenn ich abgelenkt bin.
    Ich bin jetzt eine Meile von Jacks Zuhause entfernt und nähere mich der Stelle, wo ein Wagen für mich bereitsteht. Normalerweise würde ich so schnell wie möglich die Stadt verlassen.
    Normalerweise.
    Aber heute stimmt was nicht.
    Ich spüre es, kurz bevor es passiert. Irgendwas hat sich kaum merklich verändert. Jeder Mensch besitzt Intuition, aber nicht jeder weiß sie zu deuten. Ich habe gelernt, darauf zu hören, kleine Veränderungen in meiner Umgebung wahrzunehmen, Ereignisse vorherzusehen.
    Und ich habe gelernt zu reagieren.
    Meine Intuition sagt mir, dass etwas passieren wird.
    Und dann passiert es.
    Eine dunkelgraue Limousine biegt um die Ecke. Als der Fahrer mich bemerkt, macht der Wagen einen Schlenker nach links. Das geschieht im Bruchteil einer Sekunde, wie
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