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Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Titel: Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
Autoren: Allen Zadoff
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denken. Ich habe zu handeln.
    Es reicht, wenn ich die groben Zusammenhänge kenne. Deshalb weiß ich über Jacks Vater nur, dass er etwas getan hat, was er nicht hätte tun sollen. Etwas, das ihn zur Gefahr werden ließ, vielleicht sogar zum Verräter.
    Ich wurde hierhergeschickt, um dem ein Ende zu setzen.
    Das ist meine Spezialität. Ich bekomme einen Auftrag und führe ihn aus.
    Laut dem Programm, der Organisation, für die ich arbeite, bin ich ein Patriot, aber Patrioten können wählen. Ich nicht.
    Vielleicht stimmt das nicht ganz.
    Vor langer Zeit hatte ich die Wahl. Und habe mich falsch entschieden.
    Auch mein Vater hatte die Wahl. Und auch er hat eine falsche Entscheidung getroffen, sonst wäre ich jetzt nicht hier.
    Aber zurück zu Jack und seinem Vater.
    Ich habe mir keine Meinung über das, was ich tue, zu bilden. Aber ich habe mir zu meinem Handeln eine pragmatische Einstellung zugelegt.
    Ich habe Jack einen Gefallen getan.
    Er weiß nicht, welchen Schaden sein Vater bereits angerichtet hat oder noch angerichtet hätte, wenn man ihn nicht daran gehindert hätte.
    Im Gegensatz zu mir wird Jack seinen Vater in guter Erinnerung behalten. Wer und was sein Vater war, wird niemals bekannt werden. Weder Jack noch sonst jemand wird es jemals erfahren.
    Jack wird sich an seine glückliche Kindheit erinnern, ohne zu ahnen, dass er in einer Scheinwelt lebte.
    Ich habe nicht so viel Glück wie Jack.
    Ich kenne die Wahrheit über meine Familie. Zumindest teilweise. Ich weiß, dass mein Vater nicht der großartige Dad war, für den ich ihn hielt, oder der Mann, den er der Öffentlichkeit präsentierte. Aber was ich vom Programm erfahren habe, deckt sich nicht mit meinen Erinnerungen.
    Ich weiß nicht, was ich glauben soll.
    Ich traue meinen Erinnerungen nicht. Meine Vergangenheit wird immer rätselhafter, verfolgt mich wie ein Schatten.

Es war ein Samstagnachmittag Anfang November.
    Ich war zwölf Jahre alt.
    Ich wartete auf meinen Vater in seinem Büro an der Universität, als ich einen Anruf bekam. Es habe einen Unfall gegeben und ich solle sofort nach Hause kommen, sagte der Anrufer.
    Ich rannte heim. Am Küchentisch saß Mike. Ich war überrascht, ihn dort zu sehen.
    »Wo sind meine Eltern?«, fragte ich.
    In der Mitte des Tischs stand ein Teller mit Keksen. Haferkekse mit Rosinen. Mom stellte sie immer für uns hin. Ich war ziemlich mager und aß wie ein Spatz. Mike war groß für sein Alter und aß wie ein Scheunendrescher.
    »Ich muss mit dir über deine Eltern reden«, sagte Mike.
    Ich bemerkte eine Dose Gingerale auf dem Boden vor dem Kühlschrank. Sie war ausgelaufen und die Flüssigkeit bildete eine klebrige, braungelbe Pfütze. Ich starrte darauf, fragte mich, wie sie da hingekommen war, warum sie niemand weggewischt hatte, als Mike unvermittelt den Arm ausstreckte und mich mit irgendwas berührte.
    Irgendwas Spitzes, wie ein Reißnagel.
    Plötzlich war ich müde.
    »Hab keine Angst«, sagte er zu mir.
    »Warum sollte ich Angst haben?«
    Mir wurde schwindlig und ich schwankte. Mike stützte mich und führte mich ins Wohnzimmer. Ein Freund, der seinem Freund in einer Notlage beisteht.
    Dort saß mein Vater auf einem Stuhl, sein Kopf hing auf die Brust, seine Beine waren mit Klebeband am Stuhl festgebunden.
    »Das ist aber lustig«, sagte ich.
    Wenn man etwas Absurdes sieht, etwas, das man mit dem Verstand nicht fassen kann, interpretiert man es als Witz. Ein natürlicher menschlicher Abwehrmechanismus. Ich habe selbst schon oft davon profitiert.
    Damals wusste ich nichts von solchen Dingen. Ich war jung und naiv. Ich dachte, wir spielten ein Spiel.
    »Es ist lustig und traurig zugleich«, sagte Mike.
    »Ich versteh überhaupt nichts.«
    Mike schnalzte mit den Fingern. Einmal. Zweimal.
    Der Kopf meines Vaters schnellte hoch. Er konnte nicht sprechen. Sein Mund war mit einem Klebstreifen zugeklebt.
    »Dad«, stammelte ich.
    Seine Augen sagten mir alles.
    Das hier war kein Spiel. Es war gefährlich.
    Mike packte mich am Kragen und schob mich näher zu meinem Vater, so nah, dass wir uns fast berührten.
    »Siehst du?«, fragte Mike.
    Aber er meinte nicht mich.
    Ich war erst zwölf, aber ich begriff. Ich konnte es damals vielleicht nicht in Worte fassen, aber ich hatte eine Ahnung.
    Mike hatte mich nicht ins Wohnzimmer gebracht, um mir zu zeigen, was er mit meinem Vater gemacht hatte, sondern um meinem Vater zu zeigen, was er mit mir vorhatte.
    »Das ist nicht dein Sohn«, sagte Mike zu meinem Vater. »Nicht
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