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Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Titel: Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
Autoren: Allen Zadoff
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Freundin von Sam. Ich habe die beiden zusammen im Geschichtskurs gesehen. Mit einem Seufzer wirft sie sich Darius in die Arme.
    »So eine Scheiße«, sagt er.
    »Ich kann’s nicht fassen«, erwidert sie.
    Der Spruch des Tages:
Ich kann’s nicht fassen
.
    Mein Handy klingelt. Ich werfe einen Blick aufs Display.
    Eine E-Mail von Vater. Ich klicke mich durch die Links, die er mir geschickt hat.
    Es ist kein neuer Auftrag. Es sind Anweisungen für meinen Abgang: eine Zugverbindung. Ein Hotel in einer anderen Stadt, wo ich auf weitere Instruktionen warten soll.
    Ich sehe zu Darius hinüber. Er und Sams Freundin sind ganz ins Gespräch vertieft. Also verdrücke ich mich.
    Sams Tod scheint alle so zu beschäftigen, dass keiner wirklich Notiz von mir nimmt. Das kommt mir sehr gelegen.
    Ich fahre meinen Energielevel herunter. Bis ich für meine Umgebung so gut wie unsichtbar bin.
    »Hallo«, sagt Erica, die plötzlich vor mir steht. »Du Ärmster.«
    Von wegen unsichtbar
.
    »Wieso?«
    »Du leidest ganz schön, stimmt’s?«
    Ich lächle bedrückt, als ginge es mir wirklich mies.
    Aber ich leide nicht.
    Ich leide nie.
    »Du warst verliebt in sie«, sagt Erica.
    »Ich hab sie ja kaum gekannt.«
    »Dann warst du halt dabei, dich in sie zu verlieben.«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Doch, ich glaub schon. Wahrscheinlich war’s dir nur nicht bewusst.«
    Ich spüre ein seltsames Ziehen in der Magengegend.
    Ich stehe ganz still und spüre der Empfindung nach.
    Nein, keine Empfindung.
    Ein Gefühl.
    Ich kenne dieses Gefühl von früher. Ganz früher. Eine Art Traurigkeit, nur noch schlimmer. Viel schlimmer.
    Verzweiflung.
    Ein Abgrund voller Verzweiflung. Ich stehe am Rand und blicke in die Tiefe. Nichts als Trauer und Schmerz. Und Verzweiflung.
    Nein, ich halte es nicht aus.
    Ich trete vom Rand des Abgrunds zurück.
    Ich verdränge das Gefühl aus meinem Bewusstsein, so wie alles andere, was mit diesem Auftrag zu tun hat. Dinge, die ich gesehen habe. Menschen, die ich getroffen habe. Bilder blitzen vor mir auf.
    Der Bürgermeister und ich, Arm in Arm. Wir singen. Sam mit der Geburtstagstorte in den Händen.
    Sam in meiner Wohnung vor dem Kamin.
    Sam im Park. Zu meinen Füßen. Reglos.
    Sam mit ihrem Vater. Wie sie sich anlächeln.
    Ich brauche diese Erinnerungen nicht. Wichtig ist nur, was ich aus diesem Job gelernt habe.
    Was habe ich gelernt?
    »Ben? Was ist mit dir?«
    Was habe ich gelernt?
    Wie man überlebt.
    Egal, was dir passiert, egal, womit dich das Leben konfrontiert – Niederlagen, Verluste, Schmerz   …
    Du überlebst es.
    »Alles okay, Erica.«
    Sie sieht mich skeptisch an. Ich setze mein Pokerface auf.
    »Wie kommst du denn damit klar, Erica?«
    »Gar nicht. Ich möcht mich nur noch besaufen.«
    »Wenn man sich mies fühlt, sollte man lieber nichts trinken.«
    »Mann, du klingst ja schon wie unser Schulpsychologe.«
    Sie legt die Hand auf meinen Arm.
    »Sorry, das war fies von mir. Ich weiß, dass du’s gut gemeint hast. Es ist nur, dass ich ziemlich sauer auf dich bin. Du hast mich dreimal abblitzen lassen. Das leistet sich sonst keiner, ohne dass ich ihm den Hals umdrehe.«
    »Und ich lebe noch. Da hab ich ja Glück.«
    »Heute drück ich halt ein Auge zu. Wegen Sam. Vielleicht werd ich auf meine alten Tage noch sentimental.«
    »Wie alt bist du eigentlich?«
    »Fast achtzehn.«
    »Oje, das ist wirklich alt.«
    »Idiot.«
    Sie boxt mir gegen den Arm.
    Eine Provokation?
    Nein.
    Irgendwas anderes.
    Heute sind alle ganz schön daneben. Erst heulen sie, dann lachen sie. Flirten, fallen sich in die Arme, lösen sich in Tränen auf.
    Das macht die Trauer mit ihnen. Sie sind nicht mehr sie selbst.
    Gut, dass ich damit abgeschlossen habe.
    »Wie soll ich bloß ohne sie zurechtkommen?«
    Erica seufzt und schlingt die Arme um sich.
    Ich habe nicht gelernt, wie man mit der Trauer anderer Leute umgeht. Normalerweise bleibt mir das erspart, weil ich dann längst weg bin.
    Im Zweifelsfall mitspielen.
    »Sie wird uns allen fehlen«, sage ich.
    Das scheint Erica zu trösten.
    »Ruf mich an, wenn du mit jemand reden willst«, sagt sie.
    »Mach ich.«
    »Versprich’s mir.«
    Ich nicke, drehe mich um und lasse sie stehen.
    Ich habe Vaters Anweisungen bekommen. Höchste Zeit, dass ich von hier verschwinde.
    Ich fahre meinen Energielevel noch weiter herunter.
    Auf dem Weg nach draußen komme ich an trauernden Schülern vorbei und an Lehrern, die sie trösten, an leeren Klassenzimmern und an vollen Fluren. Das ist nicht mehr meine
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