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Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Titel: Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
Autoren: Allen Zadoff
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mehr.«
    Ich streckte die Hand nach meinen Vater aus, aber Mike zog mich weg.
    Ich war todmüde und schlief beinah im Stehen ein.
    »Wer bist du?«, fragte ich Mike.
    »Ich bin dein Freund. Ich bin Mike.«
    »Du bist nicht mein Freund.«
    »Schlaues Bürschchen.«
    Seine Stimme klang irgendwie anders. Das war nicht der Mike, den ich kannte. Aber damals war ich noch ahnungslos.
    Er führte mich aus dem Zimmer. Ich hatte keine Kraft mehr, mich dagegen zu wehren. Draußen schob er mich in ein wartendes Taxi. Zumindest sah es aus wie ein Taxi, nur die Scheiben waren getönt.
    Das war das letzte Mal, dass ich meinen Vater sah.
    Es war das Ende von allem, was ich kannte.
    Und der Anfang von allem anderen.

Ich trete aufs Gas und spüre, wie der Motor reagiert.
    Leitpfosten fliegen am Fenster vorbei. Schemenhafte Konturen am Straßenrand. Verschwommene Gebäude. Verschwommene Gesichter. Vor Jahren habe ich begriffen, dass Geschwindigkeit die Welt verzerrt. Je schneller man sich bewegt, desto verschwommener die Umgebung.
    Solange ich in Bewegung bin, halte ich die Welt auf Distanz.
    Ein beruhigender Gedanke.
    Etwa zehn Meilen von meinem Einsatzort entfernt kommt das Dunkin’ Donuts in Sicht.
    Ich fahre auf den großen Parkplatz und stelle den Wagen in einer möglichst entlegenen Ecke ab. Ein richtiges Geschoss. Schade, dass ich ihn hierlassen muss.
    Dann steige ich in das Auto um, das für mich bereitsteht. Ein Toyota Camry mit zerschrammter Heckstoßstange und verbeulten Radkappen. Lahm und langweilig. Aber unauffällig.
    Ich ziehe mein iPhone aus der Tasche. Ich schiebe den Balken auf dem Display nach links, dann nach oben. Dann streiche ich mit dem Finger schnell nach unten und diagonal wieder nach oben – eine selbst definierte Fingergeste, mit der ich den Sicherheitsmodus aktiviere.
    Ich öffne den Ordner SPIELE, tippe auf die Poker-App und dann auf NEUES SPIEL.
    Die Karten werden gemischt.
    Ich stelle mir ein Blatt zusammen, das einer zehnstelligen Telefonnummer entspricht, und tippe auf GEBEN.
    Jetzt stellt der Computer eine Verbindung zu einem anonymen Server her. Meine Stimme wird in ein digitales Signal umgewandelt, in Datenpakete zerlegt, durchs Web geschickt und am anderen Ende wieder zusammengesetzt.
    Ein komplexer Prozess, der nicht länger als eine Sekunde dauert.
    Nach nur einem Klingeln meldet sich eine Frauenstimme.
    »Hallo, Mom«, sage ich.
    So nenne ich die Frau, die die Fäden in der Hand hält. Vater kümmert sich um die Aufträge. Mutter organisiert den Rest.
    Mutter und Vater. So nenne ich die Leute, von denen ich meine Anweisungen erhalte. Eine Sicherheitsmaßnahme. Wenn jemand unsere gesicherte Verbindung knacken sollte, bekommt er nur harmlose Gespräche zwischen einer Mutter und ihrem Sohn zu hören.
    Sohn.
    So nennt sie mich.
    »Hallo, mein Schatz«, sagt die Stimme am Telefon. Sie klingt, als würde sie sich über meinen Anruf freuen. »Dein Vater hat mir von dem Spiel heute erzählt.«
    »Dann weißt du ja, dass ich richtig gut war.«
    »Na, und ob.«
    »Aber es gab ziemlichen Stress. Hinterher, meine ich.«
    Stille.
    »Mit vier Typen. Ziemlich aggressiv. Hab überhaupt nicht damit gerechnet.«
    »Ich schon.«
    Ich bin froh, dass sie von den chinesischen Agenten wusste. Dass ich nichts von ihnen mitgekriegt habe, beunruhigt mich allerdings. Habe ich irgendwas übersehen?
    »Was weißt du über sie?«, frage ich. »Ich will denselben Fehler nicht noch mal machen.«
    »Soweit ich weiß, haben sie sich das Match angesehen. Und dann sind sie einfach aufs Spielfeld gelaufen. Falscher Ort, falsche Zeit.«
    »Ich brauch mir also keine Sorgen zu machen?«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    »Da bin ich ja echt erleichtert.«
    Der Verkehr rauscht an mir vorbei. Als ich aus dem Fenster schaue, fällt mein Blick auf die riesige Reklametafel auf der anderen Straßenseite. Eine strahlende Familie beim Abendessen. Darunter steht:
    Wo mein ♥ ist, da bin ich zu Hause
    Oben aus dem Herz steigen Dampfwölkchen auf.
    Ich verstehe den Slogan nicht.
    Ich betrachte das Plakat und versuche mir einen Reim darauf zu machen.
    »Du hast toll gespielt«, sagt Mutter. »Das ist die Hauptsache. Dein Vater und ich sind sehr stolz auf dich.«
    »Wirklich?«
    »Aber ja.«
    Stolz.
    Freut mich zu hören. Denn das bedeutet, dass ich meinen Job gut gemacht habe. Und nicht nur das, ich bin sogar mit unvorhergesehenen Komplikationen fertiggeworden.
    Ich bin ein echter Profi. Und das wissen sie zu schätzen. Abertrotzdem geht mir
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