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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits
Autoren: Hauke Lindemann
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was trinken gehen möchte«, sagte er mit gesenktem Kopf und spielte verlegen mit seinen Fingern. »Natürlich nur, um sie über deine Abwesenheit hinwegzutrösten. Das war doch okay?«, schob er kleinlaut hinterher.
    Kamp sah ihn ernsthaft überrascht an. »Mach keine Witze! Kein Problem. Aber davon hat sie mir gar nichts erzählt. Wie hat sie reagiert?«
    »Sie hat gesagt, dass es ihr nicht so besonders geht. Friert die ganze Zeit, laufende Nase, Kopfschmerzen, schlecht drauf.«
    »Komisch, davon hat sie mir auch nichts erzählt. Sie schien mir auch nicht erkältet zu sein.«
    Tibbe schnaubte und grinste seinen Freund an. »Dass du nachts noch ruhig schlafen kannst! Hast die arme Frau einfach so für alle anderen Männer verdorben. Ich will jedes noch so kleine dreckige Detail hören!«
    Kamp setzte ein strahlendes Lächeln auf und verschränkte genüsslich die Arme hinter seinem Kopf. »Mit dreckigen Details kann ich nicht dienen. Wir waren essen, haben eine kleine Szene ihres verhaltensgestörten Exfreundes über uns ergehen lassen, waren im Kino, sind was trinken gegangen und anschließend nach Hause… getrennt wohlgemerkt. Ja, und Samstag war sie dann bei mir. Ich konnte sie davon überzeugen, dass sie dringend in die Geheimnisse wirklich guter Musik eingeweiht werden muss. Ich hab was gekocht, wir haben viel Musik gehört und noch mehr geredet.«
    Stille. Tibbe starrte ihn mit offenem Mund an, neigte langsam den Kopf zur Seite und hob auffordernd seine Hände.
    »Das war’s? Sag jetzt nicht Ja!«, sagte er ungläubig.
    »Doch, im Groben schon. Na gut, wir haben uns, als sie morgens um zwei dann langsam müde wurde, mit einem Kuss voneinander verabschiedet. Aber sonst war nichts. Du weißt doch, dass sie in der Beziehung eher konservativ eingestellt ist.
    Ich respektiere das, ich finde es sogar gut. Nur nichts überstürzen.«
    Tibbe tat, als würde er auf dem Schreibtisch zusammenbrechen, und schlug sich mit der Hand gegen den Kopf.
    Kamp wusste, warum. Sein Freund kannte ihn als Mann, der lieber arbeiten ging, als mit einer Frau zusammen zu sein. Dass ausgerechnet er sich vor Monaten auf den ersten Blick verliebt hatte, war für sich betrachtet schon beinahe ein Skandal. Die Seelenruhe und Geduld, die Kamp bei seinem anschließenden – immer noch nicht beendeten – Eroberungsfeldzug an den Tag legte, machte Tibbe aber erst so richtig fertig. Der hätte das im Leben nicht hinbekommen.
     
     
    Am späten Nachmittag saßen sie wieder mit einem Heißgetränk bewaffnet in ihrem Büro. Beide ließen rein optisch keinen Zweifel daran, dass es ihnen für den Tag reichte.
    Tibbe gähnte herzhaft.
    »Müde, Herr Kollege?«, fragte Kamp belustigt.
    »Da kannst du…«, Tibbe unterbrach sich mit einem weiteren Gähnen, »… einen drauf lassen!«
    Kamp rieb sich die Augen und blinzelte verschlafen. »Mein Bedarf ist für heute auch gedeckt. Ich glaube, ich kann mein Sofa schon rufen hören«, sagte er verschwörerisch und legte die Hand hinter sein Ohr, vorsichtig den Kopf hin und her drehend, um das Signal einzufangen.
    »Ja… Magst du gleich noch was mit mir trinken gehen?«
    »Nein, ich glaub, das steh ich heute nicht mehr durch. Außerdem muss ich noch mit meiner Schwester telefonieren. Ich will wissen, warum sie mich versetzt hat.«
    Tibbe lächelte müde. »War doch eigentlich gar nicht so schlecht. Auf diese Weise hast du mal wieder richtig Zeit für Marita gehabt… ohne mich im Schlepptau. Nicht dass sie irgendwann noch denkt, du willst außer Freundschaft gar nichts von ihr.«
    Kamp nickte. Er hatte Marita in den vergangenen Wochen tatsächlich ein wenig vernachlässigt, um seinem Freund in der harten Phase der Trennung von dessen langjähriger Freundin beizustehen.
    »Ja, stimmt schon. Trotzdem. Ich werd irgendwie kribbelig, wenn ich nicht weiß, was bei ihr los ist. Macht der Gewohnheit.«
    »Ich glaube, manchmal übertreibst du es. Deine Schwester ist fünfundzwanzig Jahre alt und kann auf sich selbst aufpassen.«
    Kamp zog eine Grimasse und fuhr sich mit den Händen durch seine dunklen Locken.
    »Ich weiß, ich weiß. Ich kann da aber nicht aus meiner Haut. Wenn ich denke, mit was für Typen sie sich manchmal einlässt, packt mich das Grauen. Der aktuelle hat Rastalocken, fragte mich letztens ganz mitleidig, ob ich wirklich in Sachen Marketing mache, und wollte mir dann doch glatt erzählen, dass nur Langweiler und Spießer so ein geregeltes Leben führen können. Ich begreif nicht, was sie immer an
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