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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits
Autoren: Hauke Lindemann
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herstellen?«
    »Wie könnte ich? Ich hasse Tee!«
    »Ich vergaß. Also jedenfalls wollte ich mir vorhin einen schönen schwarzen Tee machen. Da war aber keiner mehr. Stattdessen stand da nur dieser…«, Kamp verzog angewidert das Gesicht, »… Dreck.«
    Tibbe versuchte, seine Mimik anzupassen, und stellte dafür sogar die Kaffeetasse ab.
    »Anarchie!«
    »Ganz genau. Konnte grad noch einen letzten Beutel Kamillentee finden. Auf dem Weg hierher hab ich mich dann so geärgert, dass ich mir heißen Tee über die Hand gekleckert habe.«
    Tibbe schüttelte den Kopf. »Ist die Hand denn noch zu retten?«
    »Blödmann! Jedenfalls werd ich den Knaben… wie heißt er noch mal?«
    »Boris Bäcker.«
    Kamp suchte in dem Gesicht seines Freundes nach Indizien dafür, dass er sich über ihn lustig machte, konnte jedoch keine entdecken.
    »Der heißt wirklich Boris mit Vornamen?«
    »Ja.«
    »Boris Becker, wie der Tennisspieler?«
    »Ja. Na ja, nicht ganz. Bäcker mit ä.«
    Kamp kratzte sich am Kopf und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob gewisse Eltern bei der Namenswahl tatsächlich so unbedarft oder womöglich sogar stolz auf ihre Einfälle waren. Als sei es ihnen egal, was sie ihrem Nachwuchs da für eine Hypothek aufbrummten.
    »Ich werd den Herrn Bäcker nachher mal stramm stehen lassen. Ich will wissen, wer das von ihm verlangt hat. Von mir aus sollen sich die anderen ruhig damit vergiften. Aber es gibt hier immer noch Leute mit Geschmack.«
    »Und die trinken schwarzen Tee?«
    »Oder grünen, ja«, erwiderte Kamp, als sei das eine sehr überflüssige Frage gewesen.
    Tibbe grinste seinen Freund breit an. »Du musst jetzt ein starker Thore sein«, sagte er mit aufmunterndem Tonfall. »Heute ist Montag. Da hat er Berufsschule. Das mit dem Anschiss wirst du auf morgen verschieben müssen.«
    »Verdammt! Stimmt ja. Und wer besorgt mir meinen Tee?«
    »Geht’s denn nicht mal einen Tag ohne?«
    Genauso gut hätte Tibbe fragen können, ob es nicht auch mal einen Tag ohne Insulin geht. Entsprechend ungläubig war der Blick, mit dem Kamp ihn bedachte.
    »Machst du Witze? Auf keinen Fall! Ich werd gleich mal in der ersten Etage schnorren gehen. Die stehen hier auch alle Nase lang auf der Matte, um sich welchen zu leihen.«
    »Mach das. Es ist jetzt übrigens genau halb acht. Darf ich dir noch eine rein private Frage stellen, oder ist es Zeit, mit der Arbeit zu beginnen?«
    »Blödmann.«
    »Gut! Wenn du am Wochenende gar nicht bei deiner Schwester warst, warum hast du dich dann nicht gemeldet? Wir hätten doch was zusammen machen können.«
    »Ich hatte den Hörer schon in der Hand. Dann fiel mir aber ein, dass du dich mit irgendwelchen Kumpels aus der Uni-Zeit treffen wolltest. Da hab ich’s gelassen.«
    Kamp beugte sich nach vorn und setzte ein verschwörerisches Lächeln auf. »Hab mich stattdessen entschieden, Marita anzurufen, um das zarte Pflänzchen ihrer wachsenden Zuneigung ein wenig zu gießen.«
    Tibbe ließ sich in seinem Stuhl zurückfallen und wirkte ernsthaft überrascht.
    In Kamps bisherigem Leben spielten Beziehungen nur eine untergeordnete Rolle. Zwischendurch hatte es immer mal wieder kleinere Liebeleien gegeben, die aber, zumindest soweit es ihn betraf, nie wirklich ernst und schon nach kurzer Zeit wieder vorbei gewesen waren. Kamp begründete es in der Regel damit, dass er für eine ernsthafte, längere Beziehung weder den Kopf noch die Zeit habe. Sein Hauptaugenmerk galt seinem Beruf, in dem er voll aufging und der keinen Raum für Forderungen stellende Bindungen ließ.
    Die einzige Frau in seinem Leben war seine jüngere Schwester, die er schon in der Kindheit unter seine Fittiche genommen hatte und die spätestens seit dem plötzlichen Verschwinden ihres tyrannischen Vaters mehr als einen Ersatz in ihm fand. Die Mutter, die es gewiss nicht an Liebe mangeln ließ, kam weder mit der Anwesenheit noch mit dem plötzlichen Verschwinden ihres Mannes zurecht und hatte zu viel mit sich selbst zu tun. So kannte Kamp es nicht anders, als für seine Schwester da sein zu müssen, und verstand sich auch als herausragend wichtiger Mensch in ihrem Leben. Seit einigen Monaten gab es jedoch eine zweite weibliche Größe in seinem Leben.
    »Du warst mit Marita aus?«
    »Ja, warum nicht? Hör mal, du hast gesagt, dein Wochenende ist verplant.«
    »Das galt doch nur für Freitagabend«, nörgelte Tibbe, kurzzeitig beleidigt. »Freitagnachmittag hab ich sie übrigens auch noch angerufen und gefragt, ob sie Samstag mit mir
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