Bote des Todes
aufstand, wurde ihr einen Moment lang schwindlig, und sie setzte sich auf die Bettkante. Sie spürte, wie die Umschläge, die sie unter ihr Jackett gesteckt hatte, sie kratzten. Sie holte sie hervor und betrachtete sie mit Tränen in den Augen. Namen waren darauf vermerkt. Der erste bezog sich auf ihren Bruder. Sie blätterte den Inhalt durch, der aus Notizen, Fotos und Ausdrucken bestand.
Auf dem nächsten stand der Name Michael Anthony Mc-Lean. Sie öffnete den Umschlag und nahm den Inhalt heraus. Michaels Foto lag ganz zuoberst. Oder war das gar nicht Michael?
Die Tränen trübten ihren Blick, aber … doch, das war Michael. Ganz sicher. Dunkles Haar, blaue Augen, das gleiche Gesicht …
„Jetzt weißt du es also. Ich hatte gedacht, du würdest was merken, als die Nutte mich im Spiegel angestarrt hat.“
Die Tür stand offen. Warum hatte sie nicht gehört, dass sie geöffnet worden war? Moira blickte hinüber und sah Michael. Er kam herein und schloss die Tür hinter sich.
Draußen begann die Band zu spielen, die Musik drang gedämpft bis in Dannys Zimmer.
Jetzt weißt du es also … die Nutte …
Michaels Foto. So ähnlich, aber zugleich auch so fremd … nein, das war nicht Michael.
Moira wollte es nicht wahrhaben und begann, auf ihn einzureden. „Michael! Danny will ein Attentat verüben! Auf Jacob Brolin!“
„Ja, natürlich, guter Versuch“, sagte er kühl. „Das war auch der Plan … dich auf Danny anzusetzen, damit du das Gewehr findest. Aber wer hätte damit rechnen können, dass du auch noch ein Foto des echten Michael McLean finden würdest.“
Die Wahrheit hatte die ganze Zeit über direkt vor ihr gelegen, aber sie war zu entsetzlich gewesen, um sie glauben zu können. Trotzdem …
Großer Gott, das hier war die Wahrheit!
Moira stand auf, ihren Blick starr auf ihn gerichtet. Sie dachte nicht einmal daran zu schreien. Sie war noch immer zu geschockt, aber ihr war auch klar, dass ein Aufschrei ihr nichts gebracht hätte. Die Band spielte, und sie war viel zu laut, um sie übertönen zu können.
„Ich verstehe nicht, Michael“, sagte sie halblaut und bluffte, um Zeit zu schinden. „Wir müssen die Polizei alarmieren. Danny hat ein Gewehr unter seinem Bett …“
„… und du hältst Unterlagen in deinen Händen, die beweisen, dass ich nicht derjenige bin, für den ich mich ausgebe“, sagte er. Er lehnte sich gegen die Tür und sah sie an. Seine blauen Augen waren eiskalt. Er sprach nicht mehr in dem vertrauten gleichmäßigen Tonfall, der nur von einem leichten Akzent geprägt gewesen war. Seine Stimme war rau – und er hatte einen breiten Akzent. „Weißt du, Moira, ich hatte von Anfang an vorgehabt, mit dir zusammen zu sein. Das ist einer der Gründe, warum ich in meinem Beruf immer so gut gewesen bin. Ich kann gut mit Frauen umgehen. Du wirst mir das wahrscheinlich nicht glauben, aber ich habe nie gelogen, wenn ich sagte, ich würde dich lieben. Ich wollte sehen, ob es möglich sein würde, zu Michael McLean zu werden – der natürlich nicht mehr lebt, wie dir wohl klar ist. Ich wollte diesen letzten Auftrag erledigen, der ein Triumph für die Freiheit sein sollte, und dann hätte ich ein normales Leben führen wollen. Ich wollte dich heiraten. Aber du solltest mir helfen, die Schuld auf deinen alten Freund zu schieben. Du solltest nicht mit ihm schlafen. Das hast du doch gemacht, stimmts?“
„Michael, ich weiß überhaupt nicht, was du da redest.“
„Natürlich weißt du das. Blackbird. Du wusstest, dass im Pub etwas vor sich ging. Das Attentat auf Brolin. Kelly’s wurde als Treffpunkt ausgesucht. Dan O’Hara war der perfekte Sündenbock, weil er schon mal festgenommen worden war. Du solltest mir helfen, ohne es zu ahnen, und eine Zeit lang warst du genau auf dem richtigen Weg. Aber jetzt … Du hast mich betrogen, Moira. Du hast so getan, als würdest du mich lieben, und von ihm hast du dich vögeln lassen!“
Sie konnte kaum fassen, was seine Worte zu bedeuten hatten. Seit er den Job bei ihr angetreten hatte, verfolgte er diesen schändlichen Plan. Nein, schon viel früher. Er hatte einen Mann gefunden, der ihm ähnlich sah und die Voraussetzungen erfüllte. Er hatte ihn umgebracht, seine Identität angenommen und an dessen Stelle den Job bekommen. Er hatte um sie geworben und sie verführt. Er hatte sich mit ihrer Familie beschäftigt, mit dem Pub. Er war so gründlich gewesen, so sorgfältig.
„Ich … ich liebe dich, Michael“, sagte sie, wusste aber nicht,
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