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Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Titel: Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
Autoren: Luc Deflo
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drehte sich um. »Da brauchst du gar nicht so dumm zu tun. Ist so oder so deine Schuld.«
    Van Lierde rieb sich die Augen und trat näher an den Wagen heran. Das Mädchen in dem grünen Opel bewegte sich nicht; sie starrte auf einen unbestimmten Punkt an der Hauswand.
    »Alles in Ordnung, Mevrouw?« Besorgt öffnete Eric van Lierde die Fahrertür und rüttelte die junge Frau an der Schulter. Das schrille Geräusch hörte zwar sofort auf, doch sie rührte sich noch immer nicht.
    Hilde Plaetinck sah und hörte alles, konnte aber nicht reagieren. Sie war vollkommen verkrampft vor Panik.
    *
    Knapp dreihundert Meter entfernt riss sich ein Mann ein zerfranstes Tuch vom Kopf. Mit großen Schritten lief er die Treppe hinauf, strich mit der Hand über das Lederetui und öffnete es. Während seine Finger hastig die Unterlagen durchblätterten, breitete sich ein nervöser Ausdruck auf seinem Gesicht aus. Prospekte, eine Bedienungsanleitung, Wartungsbelege. Kein Kraftfahrzeugbrief, keine Personendaten. Er zog die Tür hinter sich zu, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Die Haut unter seinem rechten Auge zuckte. Seine Finger blätterten immer schneller. Plötzlich hielt er inne. Das nervöse Zucken verschwand. Er warf die Papiere auf den Schreibtisch, ging ins Bad und drehte den Wasserhahn auf.
    Dann kehrte er zu seinem Schreibtisch zurück und setzte sich breit grinsend hin. Er nahm einen Kugelschreiber aus dem Stiftbehälter und betrachtete das grüne Blatt Papier, das vor ihm auf dem Tisch lag. Langsam faltete er die Versicherungsbescheinigung auseinander und studierte sie eingehend. Träge und mit genau bemessenen Kugelschreiberstrichen markierte er die Adresse. Danach betrachtete er das Foto auf dem Führerschein.
    Nach einer Weile stand er auf, und der Saum des langen Zigeunerrocks strich über den Löwenfuß des Schreibtischs, als er sich mit einem Ruck umdrehte und kerzengerade zum Bad ging. Als er die Tür öffnete, schlug ihm eine heiße Dampfwolke entgegen.
    Einen Moment starrte er reglos auf sein in Nebel gehülltes Spiegelbild. Manchmal jagte ihm sein eigener Anblick Angst ein.
    »Versagt.«
    Er knurrte und machte eine wedelnde Handbewegung, als wollte er sein Spiegelbild wegwischen. »Aber noch ist es nicht vorbei.«
    Plötzlich lächelte er und hob langsam die Arme. Das ohrenbetäubende Rauschen des Wasserhahns, die weißen Nebelschwaden, die von seinem Körper aufzusteigen schienen. Erhaben. Himmlisch.
    Er packte den Kragen mit den Zähnen und riss wie ein tollwütiger Hund ein Stück Stoff ab. Dann presste er seine starken Hände auf die Brust, zog ruckartig an dem Kleid und zerrte es sich vom Leib.
    Ohne Zögern drehte er sich um und stieg in die Badewanne. Als seine Nervenenden auf das heiße Wasser gereizt reagierten, rief das bei ihm nur eine flüchtige Grimasse hervor. Seine Haut färbte sich rot.
    Mit zusammengebissenen Zähnen ließ er sich langsam in das Wasser sinken. Der Schmerz war unerträglich – Tausende glühend heißer Nadeln stachen ihm in die Haut, doch es schien ihn nicht zu kümmern. Die Läuterung musste sein. Jeden Tag aufs Neue. Nur durch Selbstläuterung kann der Mensch sich von seinen irdischen Beschränkungen befreien. Bis kein Schmerz mehr übrig bleibt und auch kein menschliches Versagen. Nur noch absolute Reinheit, von der gewöhnliche Sterbliche nicht die geringste Ahnung haben.
    Der Mann starrte durch das Fenster, hinauf zu den dahinjagenden Wolken, immer schneller, ein wilder Strudel.
    Ich und du. Wir allein.
    Ganz langsam glitt sein Kopf unter die dampfende Wasseroberfläche.
    Im Zustand der Reglosigkeit und weit entfernt von jeder irdischen Mühsal gelang es ihm meistens, tief in sich hineinzuschauen.
    Unter Wasser öffnete er die Augen und ließ eine Luftblase zwischen den Lippen entweichen. Nur eine einzige. Kräuselnd suchte sie sich einen Weg nach oben und zerplatzte an der Wasseroberfläche.
    Mit offenen Augen ließ er die Ereignisse des Tages Revue passieren und erkannte, dass er viel zu impulsiv gewesen war. Und dass die Göttlichkeit weiter entfernt war denn je. Allmählich geriet er in Atemnot.
    Ruckartig tauchte sein Kopf aus dem Wasser auf. Geballte Fäuste schlugen wütend auf die Wasseroberfläche. Aus den blutunterlaufenen Augen schienen Funken zu sprühen. Der Mann warf den Kopf in den Nacken, und ein rauher Schrei drang tief aus seiner Kehle. Er stieß die Hände mit den krampfhaft zuckenden Fingern in die Luft.
    »Ich
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