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Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Titel: Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
Autoren: Luc Deflo
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Ledertasche, die neben ihr auf dem Boden stand.
    »Würden Sie jetzt endlich aus meinem Wagen steigen!« Rote Flecken zeichneten sich auf Hildes Wangen ab. »Und zwar sofort! Ich will nach Hause.«
    Ein sensationslüsternes Ehepaar mittleren Alters machte einen kleinen Umweg, um das Schauspiel besser verfolgen zu können. Hilde Plaetinck bemerkte ihr Manöver, und es machte sie furchtbar nervös.
    Die alte Frau nickte, rutschte ergeben über die Rückbank und stieg aus dem Auto aus. Schwerfällig beugte sie sich ins Heck, zog die anscheinend zentnerschwere Tasche mühsam aus dem Wagen und murmelte: »Entschuldigen Sie. Ich wollte Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten.« Dann drehte sie sich um und schlurfte davon. Dabei schleifte sie die Tasche mit beiden Händen hinter sich her, als befänden sich all ihre Habseligkeiten darin.
    Ein paar Meter weiter kam sie ins Straucheln, konnte sich aber wieder fangen.
    Hilde Plaetinck, die sich von ihrem größten Schreck erholt hatte, runzelte die Stirn. Der Anblick erinnerte sie an ihre Großmutter, die damals auch sehr schlecht auf den Beinen gewesen war. Bis ihre Eltern schließlich beschlossen, sie in ein Pflegeheim einweisen zu lassen, weil sie nicht mehr in der Lage war, für sich selbst zu sorgen. Diese Entscheidung hatte für entsprechende Spannungen in der Familie gesorgt. Der Gedanke daran jagte ihr einen Schauer über den Rücken, und während sie sich die durchgefrorenen Hände rieb, rief sie: »Äh … warten Sie!«
    Die Frau drehte sich um. Sie hatte das Tuch tief ins Gesicht gezogen und unter dem Kinn zusammengeknotet, so dass nur ihre Augen zu sehen waren. Sie wirkten traurig und leer, als hätten sie sämtliches Leid dieser Welt gesehen. Dann wandte sie den Blick ab und schaute zu Boden, wodurch ihr Buckel fast groteske Dimensionen annahm.
    »Müssen Sie noch weit?«
    Als die Frau bestätigend nickte, sah Hilde die karierten Stoffpantoffeln. Sie waren völlig durchnässt.
    »Wohnen Sie hier in der Gegend?«
    Die Frau murmelte etwas Unverständliches und zog ihre dicken Wollsocken hoch. Ihre Handschuhe waren löchrig und ausgefranst. Langsam kam sie näher. »Würden Sie mich tatsächlich nach Hause bringen? Das wäre wirklich sehr freundlich von Ihnen.« In der heiseren Stimme schwang ein Funken Hoffnung mit. »Ich wohne in der Damartstraat in Mechelen.«
    Hilde Plaetinck fuhr sich mit der Hand durch die Pagenfrisur und zögerte. Dann warf sie einen Blick auf ihre elegante Rodania-Armbanduhr, ein Geschenk von Stefaan.
    »Ich weiß den Weg.«
    »Also gut, steigen Sie ein. Ich bring Sie schnell nach Hause, ich muss sowieso in diese Richtung.«
    Die Frau schaute auf, erleichtert und dankbar – was Hilde Plaetinck mit Freude erfüllte. Und während ihre ungebetene Mitfahrerin wieder auf der Rückbank Platz nahm, glaubte sie sogar, ein Lächeln um ihre Lippen bemerkt zu haben.
    »War die Autotür wirklich nicht abgeschlossen?«
    »Danke. Vielen, vielen Dank. Das ist sehr lieb von Ihnen. Wenn Sie wollen, lade ich Sie zu einer Tasse Kaffee ein. Bei mir zu Hause. Zu Kaffee und Keksen. Natürlich nur, wenn Sie wollen. Oder möchten Sie lieber Benzingeld? Nochmals danke.«
    Hilde Plaetinck rutschte hinters Steuer und drehte lächelnd den Schlüssel im Zündschloss.
    Das wird mir jetzt doch etwas zu persönlich.
    Mit Vollgas fuhr sie auf den Brusselse Ring. Während sie den Wagen über die Autobahn rund um Brüssel steuerte, fiel kein einziges Wort zwischen ihr und der alten Frau. An der Ausfahrt Mechelen-Zuid zögerte sie und drehte sich kurz um. »Sie müssen mir jetzt sagen, wie ich fahren soll, weil ich die Damartstraat nicht kenne.«
    »Hier abfahren und dann immer geradeaus, bis ich es sage«, kam es nun resolut von der Rückbank.
    Zwei Kilometer später, an einer dicht befahrenen Kreuzung in der Innenstadt von Mechelen, warf Hilde einen Blick nach hinten und zuckte erschrocken zusammen, als sie eine schwere Hand auf der Schulter spürte.
    »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    Hilde Plaetinck schaute wieder nach vorn und dann erneut zur Rückbank. »Äh, nein«, stotterte sie. »Aber drehen Sie bitte die Scheibe ein Stück herunter. In welche Richtung jetzt?«
    »Immer geradeaus.«
    »Eigentlich rauche ich nicht im Wagen.«
    Als aus dem Heck keine Antwort kam, fühlte Hilde sich in der darauffolgenden Stille zunehmend unbehaglich. Verstohlen schaute sie in den Rückspiegel und sah, wie die Frau ihre Handschuhe auszog und sich eine Zigarette anzündete, die sie
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