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Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Titel: Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
Autoren: Luc Deflo
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Verwesungsgeruch in die Nase drang, wurden seine Bewegungen hölzern. Er hörte Schritte im oberen Stockwerk. Rasch steckte er den Schlüssel ins Schloss und öffnete zitternd die Wohnungstür.
    Chris saß auf dem Sofa, Wichtchen auf ihrem Schoß. Sie stand auf, sah Verbist mit stumpfem Blick an, fasste das Baby unter den Achseln und ließ es auf- und niederschweben.
    »
Superwoman … Superwoman flies again,
hoch und runter, hoch und runter. Hast du die Kohle?
Superwoman flies again.
Leg sie einfach auf den Tisch.«
    »Nein«, sagte Verbist und lächelte, ohne zu wissen, warum.
    »Nein …«
    Chris lachte wie eine Hyäne, und Wichtchen kreischte wie eine Elster. Es war eine alptraumhafte Szene.
    »Was soll das?«
    »Du kriegst keinen Cent.«
    Chris blickte ihn an, ohne ihn zu sehen. Ihre Augen glichen Flipperkugeln. Sie huschten von der Tür zu Verbist, zu Wichtchen und dann wieder zur Tür.
    »Eins!«
    Sie warf das strampelnde Baby hoch in die Luft und fing es behende wieder auf.
    Herman Verbist streckte die Arme aus, und als er mitten in der Bewegung erstarrte, glichen seine Hände drohenden Raubvogelklauen. Er war nicht imstande, auch nur einen Muskel zu bewegen, als umklammere eine riesige, eiskalte Hand seinen ganzen Körper.
    »Zwei!«
    In Herman Verbists Geist wurde der Tag zur Nacht. Und die Nacht wieder zum Tag. Chris und das Baby taumelten in einem diffusen roten Bläschennebel umher. Die messerscharfen Blutkörperchen wurden von der silbrigen Tapete angezogen und prallten wieder von ihr ab. Seine Sinne verschmolzen. Der Geruch verwesender Farben. Der Klang grauer Angst. Er gelang ihm nicht einmal, mit den Augen zu blinzeln, und doch war die Träne, die ihm über die Wange rollte, mehr als eine vasomotorische Reaktion. Von seiner Unterlippe sickerten drei dünne Blutrinnsale, die sich unter seinem Kinn vereinigten. Er kniff die Augen zu und biss die Zähne mit solcher Kraft zusammen, dass einer seiner Schneidezähne abbrach.
    Kam es von dem Blut? Von der Angst? Den Schmerzen?
    Plötzlich klappten seine Lider auf, sein Kopf neigte sich langsam in den Nacken und seine Fingerknöchel knackten, als er die Klauen zu Fäusten ballte.
    »Und drei …!«
    Er sah das Baby in Zeitlupe um die eigene Achse rotieren. Rudernde Arme und Beine. Das rechte Füßchen nur knapp zwei Zentimeter von der Zimmerdecke entfernt.
    Als ein heiserer Schrei aus seinem Mund drang, schien sein Kopf zu explodieren.

[home]
    Donnerstag, 27 . November – 9  Uhr 51
    D irk Deleu presste das Ohr ans Schlüsselloch, und ein Schweißtropfen fiel ihm von der Nase auf die Schuhspitze.
    Als aus der Wohnung ein heiserer Schrei drang, ballte Pierre die Fäuste und drehte sich seitlich zur Tür, bereit, sie mit seinen neunzig Kilo aufzustoßen.
    Deleu legte ihm eine Hand auf die Brust.
    »Warte!«
    Nadia Mendonck spreizte die Hände. Hilflos. Machtlos. Ihre Nasenflügel zitterten vor Anspannung.
    »Ich höre ein Baby krähen. Wartet. Sie sind mit dem Baby zugange. Wartet, verdammt noch mal!«
     
    Der Schlag gegen ihre Schulter fühlte sich an, als würde sie von einem Stier gerammt. Chris verlor das Gleichgewicht und stolperte mit fuchtelnden Armen rückwärts. Sie fiel und schlug mit dem Hinterkopf auf den Wohnzimmertisch. Verbists Hechtsprung hatte sie vollkommen überrumpelt.
    Das strampelnde Wichtchen sah Vati erwartungsvoll an, als wolle sie sagen: »Noch mal, Vati!« Verbist drückte sie liebevoll an sich, streichelte ihr über den Kopf und murmelte: »Alles wird gut.«
     
    Während das Baby im Weidenkorb lautstark protestierte, versuchte Chris verzweifelt, sich aus der Umklammerung zu befreien. Ihre Augen traten aus den Höhlen, und ihre Zunge ragte zwischen den bläulich verfärbten Lippen hervor. Ihre gestreckten Finger strichen über die starken Hände, die ihren Hals wie eine Schraubzwinge zudrückten. Sie trat noch einmal wild mit dem rechten Fuß, dann drehten sich ihre Augen weg. Eine letzte Zuckung, und der Urin floss unkontrolliert aus ihr heraus.
    Nicht einmal, als ihre Halsmuskeln erschlafften, ließ Herman Verbist von ihr ab. Aus den feuerroten Kratzern auf seiner rechten Wange floss Blut. Als er mit der Zunge über den Mundwinkel fuhr und das süßliche Blut schmeckte, löste sich der wahnsinnige Glanz in seinen Augen allmählich auf. Dann öffnete er mit großer Anstrengung die verkrampften Hände, und Chrissies Kopf fiel geräuschlos auf den Teppichboden. Ihre aufgerissenen Augen starrten das Loch in der Tapete
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