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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Autoren: Christopher McDougall
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brauchen«, sagte er und tippte dabei sanft die riesige Injektionsnadel an, mit der er mir wenige Augenblicke später Cortison in die Fußsohle spritzte. Außerdem würde ich für meine seitlich stabilisierenden Laufschuhe (das Paar zu 150 Dollar und mehr, und da ich zum abwechselnden Gebrauch zwei Paar brauchte, machte das 300 Dollar) maßgefertigte Einlagen brauchen (für 400 Dollar das Paar). Aber das würde den allergrößten Kostenpunkt nur hinauszögern: meinen unvermeidlichen nächsten Besuch in seiner Praxis.
    »Wollen Sie wissen, was ich Ihnen empfehlen würde?«, fasste Dr. Torg seine Diagnose zusammen: »Kaufen Sie sich ein Fahrrad.«
    Ich dankte ihm, versprach, seinen Rat zu befolgen, und hinterging ihn umgehend, indem ich einen anderen Arzt aufsuchte. Doc Torg wurde langsam alt, sinnierte ich; vielleicht waren seine Ratschläge inzwischen ein bisschen zu konservativ, und vielleicht war er mit dem Kortison etwas zu schnell bei der Hand. Ein befreundeter Arzt empfahl mir einen Sportarzt und Fußspezialisten, der selbst Marathonläufer war. Mit ihm vereinbarte ich für die folgende Woche einen Termin.
    Der Fußspezialist machte eine weitere Röntgenaufnahme, dann untersuchte er meine Füße mit dem Daumen. »Sieht ganz so aus, als hätten Sie ein Würfelbeinsyndrom«, erklärte er. »Ich kann die Entzündung mit Kortison behandeln, aber Sie werden auch noch Einlagen brauchen.«
    »Verdammt«, grummelte ich. »Genau das hat Torg auch gesagt.« Der Arzt wollte gerade aus dem Raum gehen, um die Spritze zu holen, hielt jetzt aber inne. »Sie waren schon bei Joe Torg?«
    »Ja.«
    »Sie haben schon eine Kortisonspritze bekommen?«
    »Ja.«
    »Was machen Sie dann hier?«, fragte er und wirkte plötzlich ungeduldig und etwas misstrauisch, so als glaubte er, dass ich es wirklich genoss, wenn sich Injektionsnadeln in den empfindlichsten Teil meines Fußes bohrten. Vielleicht dachte er jetzt, ich sei so etwas wie ein sadomasochistischer Junkie, der nach Schmerzen und Schmerzmitteln süchtig war.
    »Sie wissen, dass Dr. Torg die Leitfigur der Sportmedizin ist? Seine Diagnosen finden im Allgemeinen große Anerkennung.«
    »Ich weiß. Ich wollte nur eine zweite Meinung einholen.«
    »Ich werde Ihnen keine weitere Spritze geben, aber wir können einen Termin für das Anpassen der Einlagen vereinbaren. Und Sie sollten sich wirklich Gedanken über eine andere sportliche Aktivität machen, neben dem Laufen.«
    »Das klingt gut«, sagte ich. Er war ein besserer Läufer als ich je sein würde, und er hatte eben erst das Urteil eines Arztes bestätigt, den er selbst ohne Umschweife als führende Autorität unter den Sportärzten bezeichnete. Es gab überhaupt keinen Zweifel an seiner Diagnose. Also sah ich mich nach jemand anderem um.
    Es ist nun nicht so, dass ich besonders stur wäre. Ich bin nicht einmal besonders laufverrückt. Wenn ich alle Kilometer zusammennähme, die ich jemals gelaufen bin, wäre die Hälfte davon eine elende Schinderei. John Irvings Roman Garp und wie er die Welt sah hatte ich vor 20 Jahren gelesen, doch eine Szene ist mir im Gedächtnis geblieben, was einigermaßen aufschlussreich ist, und es ist nicht die Szene, die einem gewöhnlich in den Sinn kommt: Ich denke daran, wie Garp inmitten eines ganz gewöhnlichen Arbeitstages immer wieder aus der Tür stürzte, um zu einem Acht-Kilometer-Lauf aufzubrechen. Diese Wahrnehmung hat etwas Universelles, die Art, in der das Laufen unsere beiden urtümlichsten Antriebskräfte zusammenbringt: Furcht und Freude. Wir laufen, wenn wir Angst haben, wir laufen, wenn wir höchste Glücksgefühle empfinden, wir laufen vor unseren Problemen davon und wir laufen, um uns zu vergnügen.
    Und wenn die Lebensumstände am schlimmsten sind, laufen wir besonders viel. Der Langstreckenlauf hat in Amerika dreimal starken Zulauf erhalten, jedes Mal während einer großen nationalen Krise. Der erste Boom entwickelte sich während der Weltwirtschaftskrise in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts. Mehr als 200 Männer betätigten sich damals als Trendsetter, als sie beim Great American Footrace das ganze Land durchquerten, mit Tagesstrecken von 40 Meilen (rund 65 Kilometern). Die Laufbewegung schlief dann wieder ein, um schließlich Anfang der Siebzigerjahre einen neuen Aufschwung zu erleben, in einer Zeit, in der wir mit den Folgen des Vietnamkriegs zu tun hatten, mit dem Kalten Krieg, Rassenunruhen, einem kriminellen Präsidenten und der Ermordung von drei ungeheuer
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