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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Autoren: Christopher McDougall
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dass sie schneller als der schnellste Löwe laufen muss, sonst wird sie getötet. Jeden Morgen wacht in Afrika auch ein Löwe auf. Er weiß, dass er schneller laufen muss als die langsamste Gazelle, sonst wird er verhungern. Es spielt keine Rolle, ob du ein Löwe oder eine Gazelle bist: Wenn die Sonne aufgeht, fängst du am besten an zu laufen.«
    Warum sollte jedes andere Säugetier auf diesem Planeten sich auf seine Beine verlassen können, wir aber nicht? Wie konnte ein Kerl wie Bannister Tag für Tag aus dem Labor stürmen, auf einer harten Aschenbahn in dünnen Lederschlappen seine Runden drehen und dabei nicht nur schneller werden, sondern auch von Verletzungen verschont bleiben? Wie kann es sein, dass manche von uns jeden Morgen bei Sonnenaufgang wie die Löwen oder die Bannisters in der Gegend herumrennen, während wir anderen erst einmal eine Handvoll Ibuprofen brauchen, bevor wir unsere Füße bewegen können?
    Das waren sehr interessante Fragen. Aber bald darauf sollte ich feststellen: Die einzigen Menschen, die sie beantworten konnten – die einzigen, die die Antworten lebten -, redeten nicht darüber.
    Vor allem nicht mit jemandem wie mir.
    Im Winter 2003 hatte ich beruflich in Mexiko zu tun und blätterte eines Tages in einer spanischsprachigen Reisezeitschrift. Plötzlich weckte ein Foto von Jesus, der eine Geröllhalde hinunterrannte, meine Aufmerksamkeit.
    Die genauere Betrachtung ergab, dass der Abgebildete möglicherweise nicht Jesus war, definitiv aber ein Mann, der ein bauschiges Hemd und Sandalen trug und einen von Geröll übersäten Abhang hinunterrannte. Ich versuchte mich an der Übersetzung der Bildunterschrift, kam aber nicht darauf, warum sie im Präsens gehalten war. Es schien sich hier nämlich um eine sehnsuchtsvolle atlantische Legende zu handeln, die von einem untergegangenen Reich erleuchteter Superwesen erzählte. Nach und nach fand ich dann heraus, dass ich mit allem richtig lag, mit Ausnahme der Adjektive »untergegangen« und »sehnsuchtsvoll«.
    Ich war in Mexiko, um im Auftrag des New York Times Magazine eine verschwundene Popsängerin und ihren geheimen Gehirnwäsche-Kult aufzuspüren, aber der Artikel, an dem ich gerade arbeitete, kam mir im Vergleich zu dem, was ich in dieser Zeitschrift las, mit einem Mal äußerst langweilig vor. Ausgeflippte untergetauchte Popstars kommen und gehen, aber die Tarahumara schienen ewig zu leben. Dieser kleine, in seinem geheimnisvollen Canyonversteck sehr zurückgezogen lebende Stamm hatte nahezu alle Probleme gelöst, die der Menschheit zusetzten. Man benenne eine Kategorie – Geist, Körper oder Seele -, und die Tarahumara boten prompt eine perfekte Lösung an. Es sah ganz danach aus, als hätten sie ihre Höhlen insgeheim in Brutkästen für Nobelpreisträger verwandelt, die alle daran arbeiteten, Hass, Herzkrankheiten, Schienbeinkantensyndrome und Treibhausgase aus der Welt zu schaffen.
    Im Tarahumara-Land gab es weder Verbrechen noch Krieg oder Diebstahl. Es gab keine Korruption, Fettleibigkeit, Drogensucht, Gier, Misshandlung von Ehefrauen und Kindern, auch Herzerkrankungen, Bluthochdruck oder Kohlendioxidemissionen waren unbekannt. Sie bekamen keine Diabetes, keine Depressionen, ja sie alterten nicht einmal: 50-Jährige liefen schneller als Teenager, und 80-jährige Großväter legten Marathondistanzen im Gebirge zurück. Krebserkrankungen waren bei diesem Volk kaum feststellbar. Die Tarahumara-Genies hatten sich sogar mit Ökonomie beschäftigt und ein einzigartiges Finanzsystem geschaffen, das auf Alkoholkonsum und unsystematischen Freundlichkeiten beruhte: Anstelle von Geld tauschten sie Gefälligkeiten und große Behälter mit Maisbier.
    Man rechnet wohl damit, dass ein Wirtschaftssystem, das von Alkohol und Gratisleistungen angetrieben wird, in trunkene Raffgier ausartet, mit der alle Beteiligten sich beidhändig selbst bedienen wie bankrotte Glücksspieler an einem Kasinobüfett, aber im Tarahumara-Land funktioniert es. Die Erklärung liegt vielleicht in der Tatsache, dass die Tarahumara fleißig und unglaublich ehrlich sind. Ein Forscher verstieg sich sogar zu der Spekulation, dass die Gehirne der Tarahumara nach so vielen Generationen der Wahrheitsliebe biochemisch gar nicht mehr in der Lage seien, sich Lügen auszudenken.
    Und als ob es nicht genügte, das freundlichste, glücklichste Volk auf Erden zu sein: Die Tarahumara waren auch zäher als alle anderen Menschen. Die einzige Konkurrenz für ihre übermenschliche
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