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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Autoren: Christopher McDougall
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aber noch nie dort. Pues, lo que sea.« Na ja, wie auch immer. »Wir werden schon hinfinden.«
    Unter normalen Umständen klänge so etwas ein bisschen zweifelhaft, aber im Vergleich zu allen anderen Leuten, mit denen ich gesprochen hatte, war Salvador ungeheuer optimistisch. Die Tarahumara haben ihre Zeit damit verbracht, die Kunst der Unsichtbarkeit zu perfektionieren, seit sie sich vor 400 Jahren in ein Niemandsland geflüchtet haben. Viele Tarahumara leben heute noch in Felsenhöhlen, die nur über lange Kletterbalken erreichbar sind. Haben sie ihre Wohnstätte erreicht, ziehen sie die Balken hoch und verschwinden im Fels. Andere Stammesmitglieder leben in perfekt getarnten Hütten. Carl Lumholtz, der große norwegische Forschungsreisende, musste einmal verblüfft feststellen, dass er an einem ganzen Tarahumara-Dorf vorbeigegangen war, ohne auch nur eine Spur von Menschen oder ihren Behausungen zu entdecken.
    Lumholtz war ein Fachmann für extreme Lebensumstände, der jahrelang unter Kopfjägern in Borneo gelebt hatte, bevor er Ende des 19. Jahrhunderts ins Tarahumara-Land zog. Aber man spürt bei der Lektüre seines Berichts, wie selbst dieser Mann um Fassung ringt, nachdem er sich durch Wüsten geschleppt und lebensgefährliche Klettertouren hinter sich gebracht hat, schließlich ins Herz des Tarahumara-Landes vorgedrungen ist, und dann findet er …
    Keine Menschenseele.
    »Der Anblick dieser Berge wirkt erhebend auf das Gemüt, aber sie zu überqueren erschöpft die Muskeln und die Geduld«, erinnert sich Lumholtz in seinem 1902 erschienenen Buch Unknown Mexiko: A Record of Five Years’ Exploration Among the Tribes of the Western Sierra Madre . »Nur wer die Berge Mexikos selbst bereist hat, begreift die Schwierigkeiten und Ängste, die mit einem solchen Unternehmen verbunden sind, und zollt dem Reisenden Anerkennung.«
    Mit einer solchen Feststellung verbindet sich zunächst einmal die Annahme, dass man diese Berge überhaupt erreicht. »Auf den ersten Blick ist das Land der Tarahumara unzugänglich«, klagte der französische Schriftsteller Antonin Artaud, nachdem er es in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts mit viel Mühe und Schweiß auf der Suche nach schamanischer Weisheit bis in die Copper Canyons geschafft hatte. »Kaum ein paar unkenntliche Trampelpfade, die alle zwanzig Meter vom Erdboden verschluckt zu werden scheinen.« Artaud und seine Führer entdeckten schließlich einen Pfad, hatten aber schwer zu schlucken, bevor sie ihn begingen: Die Tarahumara lassen sich von dem Grundsatz leiten, dass die beste Methode, Verfolger abzuschütteln, darin besteht, sich an Orte zu begeben, an die ihnen nur ein Verrückter folgen würde, und legen ihre Kletterpfade auf selbstmörderisch steilem Terrain an.
    »Ein falscher Schritt«, hielt ein Abenteurer namens Frederick Schwatka bei einer Expedition in die Copper Canyons bereits 1888 in seinem Notizbuch fest, »und der Kletterer stürzt sechzig bis neunzig Meter tief in die Schlucht hinab und wird vielleicht zum verstümmelten Leichnam.«
    Schwatka war im Übrigen kein zimperlicher Dichter aus Paris. Er war ein Leutnant der US-Armee, der die Grenzkriege gegen Mexiko überstanden hatte und später dann als Amateuranthropologe unter den Sioux lebte. Der Mann wusste also einiges über verstümmelte Leichname. Außerdem hatte er einige der unwirtlichsten Gegenden seines Zeitalters bereist, unter anderem auch zwei Jahre mit einer höllischen Expedition zum nördlichen Polarkreis verbracht. Als er jedoch in die Copper Canyons gelangte, musste er die Liste seiner Errungenschaften umschreiben. Schwatka empfand angesichts der unendlichen Wildnis, die ihn dort umgab, eine kurze, spontane Bewunderung – »Das Herz der Anden oder die Gipfel des Himalaya bieten keine großartigeren Landschaften als die wilden, unbekannten Schlupfwinkel der Sierra Madre in Mexiko« -, bevor er wieder in düstere Verblüffung verfiel: »Wie man auf diesen Felsen Kinder erziehen kann, ohne sie Jahr für Jahr allesamt wieder zu verlieren, ist für mich eines der größten Rätsel, das mit diesem seltsamen Volk verbunden ist.«
    Selbst in der heutigen Zeit, in der das Internet die Welt zu einem globalen Dorf hat zusammenschnurren lassen und uns Google-Satelliten einen Blick in den Hinterhof wildfremder Menschen ermöglichen, die am anderen Ende unseres Heimatlandes leben, sind die nach ihren eigenen Traditionen lebenden Tarahumara genau die geisterhaften Wesen, die sie bereits vor
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