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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Autoren: Christopher McDougall
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400 Jahren waren. Vor etwa 15 Jahren drang eine Expeditionsgruppe tief in die Barrancas vor, und plötzlich sahen sich die Wanderer durch das Gefühl, von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden, aus der Fassung gebracht:
    »Unsere kleine Gruppe war bereits stundenlang durch die Barranca del Cobre in Mexiko gewandert, ohne irgendeine Spur von anderen menschlichen Wesen zu entdecken«, schrieb ein Expeditionsmitglied. »Jetzt, im Herzen einer Schlucht, die sogar tiefer als der Grand Canyon ist, hörten wir das Echo von Tarahumara-Trommeln. Ihre einfachen Rhythmen waren zunächst kaum wahrnehmbar, wurden aber schon bald lauter. Man konnte unmöglich sagen, wie viele es waren und wo sie sich befanden, weil die Felswände die Echos zurückwarfen. Wir sahen unsere Führerin fragend an. ›Quién sabe?‹, sagte sie. ›Wer weiß? Man kann die Tarahumara nur sehen, wenn sie das auch wollen.‹«

    Der Mond stand immer noch hoch am Himmel, als wir uns mit Salvadors zuverlässigem Pick-up auf den Weg machten. Bei Sonnenaufgang hatten wir die Asphaltstraße schon längst hinter uns gelassen und rumpelten über eine unbefestigte Piste, die eher einem Flussbett als einer Straße glich. Im ersten Gang holperten und schlingerten wir ganz langsam dahin wie ein Trampschiff bei schwerem Seegang.
    Mit Kompass und Karte versuchte ich hartnäckig, unseren Standort zu bestimmen, konnte aber manchmal nicht beurteilen, ob Salvador eine beabsichtigte Richtungsänderung vornahm oder nur einem herabgestürzten Felsblock auswich. Doch schon bald spielte das keine Rolle mehr – wo immer wir auch waren, unser aktueller Aufenthaltsort gehörte nicht mehr zur bekannten Welt. Wir schlängelten uns nach wie vor auf einer schmalen Passage zwischen den Bäumen durch, aber die Karte zeigte nur unberührten Wald an.
    »Mucha mota por aquí«, sagte Salvador und wies mit einem kreisenden Finger auf die umgebenden Hügel. Hier gibt es eine Menge Marihuana.
    Die Barrancas wurden, weil sie polizeilich so schwer zu kontrollieren sind, zum Stützpunkt zweier rivalisierender Drogenkartelle, man kennt sie als Los Zetas und die New Bloods. Beiden Gruppen gehörten ehemalige Elitesoldaten der Armee an, und beide agierten absolut skrupellos. Die Zetas waren dafür bekannt, dass sie unkooperative Polizisten in Fässer mit brennendem Dieselöl warfen und gefangene Rivalen an das Maskottchen der Bande verfütterten – einen bengalischen Tiger. Sobald die Schreie der Opfer verstummt waren, wurden ihre verkohlten und von Tigerzähnen verstümmelten Köpfe eingesammelt und als Marketingmittel verwendet. Die Kartelle markierten ihr Territorium gern, und in einem Fall stellten sie die aufgespießten Köpfe zweier Polizisten vor einem Regierungsgebäude zur Schau und ergänzten diesen Anblick durch eine auf einem Schild festgehaltene Aufforderung in spanischer Sprache: ZEIGT ETWAS RESPEKT. Noch im selben Monat wurden fünf Köpfe auf die Tanzfläche eines überfüllten Nachtklubs gerollt. Selbst hier draußen, am Rand der Barrancas, wurden im Durchschnitt etwa sechs Leichen pro Woche gefunden.
    Aber Salvador schien davon gänzlich unbeeindruckt. Er fuhr weiter durch den Wald und sang lauthals und reichlich unzusammenhängend von einer Frau namens Maria, mit der es nur Ärger gab. Plötzlich erstarb das Lied in seinem Mund. Er schaltete den Kassettenrekorder aus und fi xierte einen roten Dodge Pick-up mit dunkel getönten Scheiben, der unmittelbar vor uns aus dem Staubwirbel aufgetaucht war.
    »Narcotrafi cantes«, murmelte er.
    Drogenkuriere. Salvador fuhr so nah wie nur möglich an die Felskante zu unserer Rechten heran und ging noch weiter vom Gas, wodurch er unsere Geschwindigkeit ehrerbietig von den bisherigen gut 15 Stundenkilometern auf null reduzierte und so dem großen roten Dodge so viel Platz wie nur möglich einräumte.
    Hier gibt’s keinen Ärger, lautete die Botschaft, die er auf diese Weise übermitteln wollte. Wir kümmern uns um unseren eigenen Kram, der nichts mit Drogen zu tun hat. Fahrt einfach weiter …, denn was sollten wir sagen, wenn sie uns den Weg verstellten, aus dem Auto stiegen und mit vorgehaltenen Gewehren verlangten, dass wir langsam und deutlich erklärten, was zum Teufel wir hier draußen, mitten im mexikanischen Marihuana-Land, zu suchen hatten?
    Wir konnten ihnen nicht einmal die Wahrheit sagen; wenn sie die glaubten, waren wir erledigt. Sänger und Reporter waren zwei Berufsgruppen, die den mexikanischen Drogenbanden genauso
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